Ausbaupotenzial
Heutige und zukünftige Energieproduktion
Die Energiewende bedingt einen massiven Ausbau der Produktion an klimaneutraler Energie. Um die Ziele der Klimastrategie 2050 zu erreichen, muss damit nicht nur der Wegfall der fossilen Energieträger, sondern zusätzlich auch der Wegfall der Kernenergie kompensiert werden.
Insgesamt resultiert daraus ein ungedeckter Strommehrbedarf von 79,5 TWh/a. Für die Produktion dieses Mehrbedarfs kommen folgende Produktionstechnologien in Frage:
- Wasserkraft ist in der Schweiz gut ausgebaut und trägt mit 56% den grössten Teil zur Landesstromproduktion bei. Aufgrund ihres bereits heute sehr hohen Nutzungsgrades ist das verbleibende Ausbaupotenzial der Wasserkraft in der Schweiz beschränkt.
- Photovoltaik hat ein sehr grosses Ausbaupotenzial. Ihre Nutzung kann sowohl auf Gebäuden- und Infrastrukturen als auch auf Freiflächen im Gebirge erfolgen. Letztere hat bedeutende technische Vorteile, ist jedoch politisch umstritten.
- Windenenergie hat das beste Kosten-/Nutzenverhältnis der neuen erneuerbaren Produktionstechnologien. Sie verfügt über ein grosses Ausbaupotenzial bei vergleichsweise niedrigen Kosten. Andererseits ist sie auch die umstrittenste Produktionstechnologie.
- Geothermie ist die Energiequelle der Zukunft und es ist zu befürchten, dass sie das immer bleiben wird. Aufgrund der unausgereiften Technik besteht in den nächsten Jahrzehnten kaum ein Ausbaupotenzial.
- Wärmekraftwerke kommen in der Schweiz insbesondere bei der Kehrichtverbrennung zum Einsatz und dienen primär der Fernwärmeerzeugung. Aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit dieser biogenen Brennstoffe besteht kein Ausbaupotenzial.
- Kernenergie trägt heute rund 35% zur Landesstromproduktion bei. Der Neubau von Kernkraftwerken ist in der Schweiz verboten. Zu Vergleichszwecken wird das Potenzial neuer Kernkraftwerke aber trotzdem aufgeführt.
Die Abschätzungen der Ausbaupotenziale stützen sich auf Studien, welche unter Beteiligung des BfE erstellt wurden. Dabei wurde das gesamte technisch realisierbare Potenzial berücksichtigt. Wirtschaftliche Überlegungen, welche zu deutlich kleineren Produktionszahlen führen, sind an dieser Stelle nicht eingeflossen.
Insgesamt wurden 2019 in der Schweiz 71,9 TWh Strom erzeugt. Diese Produktion kann um 370,5 TWh/a gesteigert werden und übersteigt damit den ungedeckten Strommehrbedarf von 79,5 TWh/a deutlich. Dabei ist jedoch zu beachten, dass viele Produktionsanlagen wie neue Wasserkraftwerke, Windturbinen oder alpine Photovoltaik politisch umstritten sind und auf teilweise heftigen Widerstand stossen. Werden nur die unumstrittene Produktionstechnologien betrachtet, reduziert sich das Ausbaupotenzial der Stromproduktion auf lediglich 62,3 TWh/a.
Unten ist die heutige Stromproduktion der verschiedenen Produktionstechnologien sowie ihr zukünftiges Ausbaupotenzial im Detail zusammengestellt.
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Heutige Produktion
Die inländische Energieproduktion der Schweiz beruht heute schon zum allergrössten Teil auf klimaneutralen Energieträgern. Kern- und Wasserkraft liefern 95% des schweizerischen Stroms. 99,8% der inländischen Stromproduktion sind klimaneutral.
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Produktionspotenzial
Bei der vollen Ausnützung aller Potenziale kann die Stromproduktion um 377,2 TWh/a gesteigert werden. Ein grosser Teil des Ausbaupotenzials ist politisch umstritten. Neue Projekte stossen auf teilweise heftigen Widerstand und werden mit Einsprachen um Jahre verzögert oder ganz verhindert.
Wahl der Produktionstechnologie
Bei der Nutzung der verschiedenen Energieträger stehen oft mehrere Möglichkeiten offen. So kann beispielsweise Solarenergie mittels Kollektoren als Wärme und mittels Photovoltaik als Strom genutzt werden. Im vorliegenden Zusammenhang wird nur das Stromerzeugungspotenzial betrachtet. Der Grund dafür ist, dass beim Ersatz der fossilen Energieträger prioritär auf Elektrifizierung gesetzt wurde und auch die wegfallende Kernenergie durch zusätzlichen Strom substituiert werden muss.
Bei der Wahl der für die Energieerzeugung einzusetzenden Technologie wird vom heutigen Entwicklungsstand und dem heute erzielbaren Wirkungsgrad unter realistischen Einsatzbedingungen ausgegangen. Insbesondere wurden keine Technologien kreditiert die sich noch im Entwicklungs- oder Pilotstadium befinden.
Für die Kostenberechnungen wurde ein realer Zinssatz von 1.6 % gewählt. Dies entspricht den Annahmen im in den Energieperspektiven 2050+ und im Legislaturfinanzplan 2021 bis 2023 der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV, 2020).
Im Folgenden wird im Detail auf das Ausbaupotenzial, die Kosten und die gesellschaftliche Akzeptanz der einzelnen Produktionstechnologien eingegangen.
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Wasserkraft
Die Wasserkraft ist in der Schweiz gut ausgebaut und hat mit 56% resp. 40,6 TWh/a den grössten Teil zur Landesstromproduktion des Jahres 2019 beigetragen.
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Gebäude Photovoltaik
Die Solarenergie wird in der Schweiz mittels kostendeckender Einspeisevergütung und Einmalvergütung gefördert und hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Im Jahr 2019 waren in der Schweiz Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtproduktion von 2,2 TWh/a installiert. Hinzu kommen 0,7 TWh/a Wärme aus Sonnenkollektoren.
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Alpine Photovoltaik
Im Gebirge angesiedelte Solaranlagen haben verschiedene Vorteile. Dank der günstigen Sonneneinstrahlung ist die spezifische Jahresausbeute in den Alpen deutlich höher.
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Windenergie
Die Windenergie trägt heute nur marginal zur schweizerischen Stromproduktion bei. Gemäss Gesamtenergiestatistik 2019 verfügten die im Jahr 2019 operationellen 37 Windanlagen über eine installierte Leistung von 75 MW und produzierten 0,15 TWh/a Strom.
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Geothermie
Die Geothermie umfasst die Wärmegewinnung aus dem Erdreich, Gewässern sowie der Umgebungswärme wobei in der Schweiz die Nutzung der oberflächennahen Umgebungswärme im Vordergrund steht.
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Wärmekraft
Bei den schweizerischen Wärmekraftwerke (Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), Biogasanlagen und Holzkraftwerke) steht die Fernwärmeerzeugung im Vordergrund. Sie liefern mit 6,2 TWh/a etwa 94% der schweizerischen Fernwärmeproduktion. Der erzeugte Strom von 3,7 TWh/a ist eher ein Nebenprodukt.
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Kernenergie
Im Jahr 2008 wurden beim Bundesrat drei Gesuche um Erteilung einer Rahmenbewilligung für neue Kernkraftwerke eingereicht. In den drei Projekten war vorgesehen an den Standorten der bestehenden Kernkraftwerken Beznau, Gösgen und Mühleberg je ein zusätzliches Kernkraftwerk zu bauen.
Das theoretische Ausbaupotential ist riesig, aber in der Praxis aus verschiedenen Gründen massiv kleiner.
Die Folgekosten (Netzausbau, Bedarf an Speicherung, usw.) je nach Wahl der Produktionsart sind auch zu berücksichtigen. Dazu kommt, dass der Marktdesign auch grosse Auswirkungen darauf hat, ob und wie welche Produktion exportiert oder importiert werden kann. Die Strommarktöffnung hat alles viel komplexer gemacht und hat insbesondre dazu geführt, dass kein Marktakteur mehr sich für eine sichere Stromversorgung verantwortlich fühlt.