Kernenergie

Im Jahr 2008 wurden beim Bundesrat drei Gesuche um Erteilung einer Rahmenbewilligung für neue Kernkraftwerke eingereicht. Die drei Projekte sahen vor, an den Standorten der bestehenden Kernkraftwerken Beznau, Gösgen und Mühleberg je ein zusätzliches Kernkraftwerk zu bauen.

In einer Kurzschlussreaktion nach dem Unfall in Fukushima hat Bundesrätin Doris Leuthard am 14. März 2011, dem ersten Arbeitstag nach dem Ereignis in Japan, die laufenden Verfahren für die Rahmenbewilligungsgesuche sistiert. Am 25. Mai 2011 beschloss der Bundesrat, geordnet aus der Kernenergie auszusteigen. Der Neubau von Kernkraftwerken sollte deshalb verboten werden. Dieses Verbot wurde dann im Rahmen der Umsetzung der Energiestrategie 2050 im Kernenergiegesetz verankert und am 21. Mai 2017 von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern angenommen.

Für der Neubau von Kernkraftwerken müsste deshalb das geltende Verbot im Kernenergiegesetz aufgehoben werden.

Ausbaupotenzial der Kernenergie

Das Ausbaupotenzial der Kernenergie wird einzig durch die Zahl der verfügbaren Produktionsstandorte beschränkt. An den bisherigen Kernkraftwerks-Standorten können insgesamt 12 Reaktoren erstellt werden (Beznau 2, Gösgen 4, Leibstadt 4, Mühleberg 2). In der Vergangenheit wurden zudem die Standorte Kaiseraugst, Rüthi, Verboix und Graben in Betracht gezogen. Auch wenn der eine oder andere dieser Standorte nicht mehr verfügbar ist, kann in der Schweiz von zwei zusätzlichen Standorten für jeweils vier Reaktoren ausgegangen werden.

Unter der Annahme, dass die durchschnittliche Leistung der neuen Reaktoren 1,3 GW beträgt, ergibt sich ein Ausbaupotenzial von 26,0 GW. Damit können bei einer Arbeitsverfügbarkeit von 90% pro Jahr rund 205 TWh/a Strom produziert werden.

Moderne Kernkraftwerke sind lastfolgefähig, das heisst sie können ihre Produktion variabel dem tatsächlichen Bedarf anpassen.

Kosten der Kernenergie

Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, bewegen sich die spezifischen Investitionskosten von modernen Kernkraftwerken der dritten Generation zwischen 2’100 CHF/kW und 13’600 CHF/kW. Die spezifischen Kosten der Mehrzahl der Projekte liegen bei 4’500 CHF/kW weshalb im Folgenden von diesem Betrag ausgegangen wird.

Im Unterschied zu den neuen erneuerbaren Energiequellen haben Kernkraftwerke eine sehr hohe Arbeitsausnutzung von 90% und mehr. Das heisst, sie produzieren während 90% der möglichen Zeit, was rund 7’900 Std pro Jahr entspricht. Auf die MWh umgerechnet belaufen sich die typischen spezifischen Investitionskosten auf 570 CHF/(MWh pro Jahr). Bei einer Nutzungsdauer der Anlagen von 60 Jahren, einem Realzins von 1,6% ergeben sich jährliche Kapitalkosten von 15 CHF/MWh.

ProjektLandStatusReaktor-
typ
Leistung

[MW]
Anz. Blöcke
[#]
Bauzeit
pro Block
[Jahre]
Spez.
Kosten
[CHF/kW]
Projekt-
kosten
[GCHF]
Kashiwasaki 6&7JPNBetriebABWR1350242’1005.6
South TexasUSASistiertABWR13502 5’20014.0
Voegtle 3&4USABauAP-1000125021013’60034.0
PolandPOLOfferteAP-10001250674’20031.3
BarakkahUAEBetriebAPR-14001400484’40024.4
Shin-Kori 5&6KORBauAPR-14001400255’40015.2
Shin Hanul 1&2KORIBSAPR-140014002104’30012.0
PolandPOLOfferteAPR-14001400673’20026.7
Olkiluoto 3FINBetriebEPR17501174’9008.5
Flamanville 3FRABauEPR17501157’30012.7
Hinkley PointGBRPlanungEPR17502 8’00028.0
TaishanCHNBetriebEPR17502104’30015.0
PolandPOLOfferteEPR1750474’70033.0
Fuqing 5&6CHNBetriebHPR-10001100252’4005.2
Karachi 2&3PAKBetriebHPR-10001100264’50010.0
Atucha 3ARGPlanungHPR-100011001 7’3008.0
HanhikiviFINSistiertVVER-120012001 6’3007.5
AstravetsBLRBetriebVVER-12001200274’60011.0
AkkuyuTURBauVVER-12001200454’20020.0
RooppurBGDBauVVER-12001200265’30012.7
Tabelle 1: Zusammenstellung der Projektkosten für Kernkraftwerke der Generation III (Quellen: Wikipedia ergänzt mit Angaben aus https://world-nuclear.org/information-library/country-profiles/countries-o-s/south-korea.aspx, https://www.worldnuclearreport.org/Chinese-Built-Karachi-3-Connected-to-the-Grid-in-Pakistan.html, https://neutronbytes.com/2022/02/12/argentina-signs-8b-deal-for-chinas-hualong-one-pwr/, https://www.hanhikivi1.fi/en/about-the-project und https://www.neimagazine.com/news/newswestinghouse-and-khnp-may-both-build-npps-in-poland-10144809 ).

Hinzu kommen die Betriebskosten. Diese werden von der Kostenstruktur des Kernkraftwerks Gösgen abgeleitet. Gemäss Geschäftsbericht 2019 entfielen von den normalisierten Jahreskosten von 330 Mio. CHF 52% auf den Betrieb und 26% auf Brennstoff und Entsorgung. Bei einer Jahresproduktion von 7,8 TWh beliefen sich die Betriebskosten somit auf 33 CHF/MWh.

In der Summe belaufen sich die Investitionskosten für neue KKW auf 570 CHF/(MWh pro Jahr) und deren Produktionskosten auf 48 CHF/MWh.

Akzeptanz der Kernenergie

Obwohl neue Kernkraftwerke mit Hybridkühltürmen die Landschaft nur wenig beeinträchtigen, sind sie politisch heftig umstritten. Auch ohne Unfall in Fukushima wäre es sehr schwierig und riskant gewesen, die drei geplanten Neubauprojekte umzusetzen. Neue Kernkraftwerke erfordern hohe Investitionskosten und das dreistufige schweizerische Bewilligungsverfahren ist hochkomplex. Insbesondere besteht kein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Bewilligung. Ein Projektant riskiert im schlimmsten Fall, dass ihm die Betriebsbewilligung verweigert wird und er auf einem fertig erstellten, nicht nutzbaren Kernkraftwerk sitzen bleibt.

Damit ein zukünftiger Projektant bereit wäre, ein neues Kernkraftwerk zu bauen müsste deshalb nicht nur das Neubauverbot aufgehoben werden, sondern zusätzlich auch die Rechtssicherheit im Bewilligungsverfahren deutlich erhöht werden.

1 Kommentar zu «Kernenergie»

  1. Philippe Huber

    Auch die Restrisiken von KKW (Folgekosten Unfall wie in Fukushima) können nur von einem Staat getragen werden. Die Marktliberalisierung in Europa hat ebenfalls dazu geführt, dass Investitionen in KKW beim heutigen Marktdesign finanziell viel zu riskant sind. Weder Axpo, Alpiq oder BKW sind heute bereit bzw. in der Lage diese Risiken zu tragen.

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