Ersatzbedarf
Abbildung 1: Braunkohlekraftwerk und Windanlagen (Bildquelle).
Fossile Energien und Kernenergie ersetzen
Im Rahmen des Übereinkommens von Paris hat sich der Bundesrat ehrgeizige Ziele für die Reduktion des CO2-Ausstosses gesetzt. Ab dem Jahr 2050 soll die Schweiz unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausstossen (Netto-Null-Klimaziel).
Die langfristige Klimastrategie zur Erreichung dieses Ziels, die Klimastrategie 2050, sieht vor, dass die fossilen Energieträger bis zum Jahr 2050 soweit als möglich durch klimaneutrale Alternativen ersetzt werden. Falls dies nicht möglich ist, muss das bei der Nutzung freiwerdende CO2 kompensiert werden. Darüber hinaus behandelt die Klimastrategie 2050 auch die Methan- und Lachgasemissionen sowie Landnutzungsänderungen, welche jedoch hier nicht thematisiert werden.
Hinzu kommt der zusätzliche Strombedarf, der sich als Folge des Verbots neuer Kernkraftwerke und der Erhöhung der Restwassermengen ergibt.
Wahl der Ersatzenergie
Für den Ersatz der fossilen Energieträger kommen Biomasse, Strom und Fernwärme in Frage:
- Biomasse ist in fester (Holz, Biomüll), gasförmiger (Biogas) und flüssiger Form (Biotreibstoff) verfügbar und hat den Vorteil, die analogen fossilen Energieträger Kohle, Müll, Erdgas und Erdöl eins zu eins zu ersetzen. Der Hauptnachteil von Biomasse ist ihre beschränkte Verfügbarkeit, wenn sie nachhaltig und nicht in Konkurrenz mit der Biodiversität und der Nahrungsmittelproduktion erzeugt werden soll. Im vorliegenden Fall wird die zusätzlich verfügbare Biomasse prioritär in Wärmekraftwerken und beim Schwerverkehr eingesetzt. Eine Elektrifizierung in den beiden genannten Bereichen wäre unsinnig respektive technisch schwierig umzusetzen.
- Strom ist der universellste Energieträger und lässt sich mit wenigen Ausnahmen für jeden Verwendungszweck einsetzten. Nachteilig ist, dass die Stromproduktion mit teilweise erheblichen Energieverlusten verbunden ist und dass Strom nur in beschränktem Masse gespeichert werden kann. In vielen Fällen ist die Elektrifizierung mit Effizienzgewinnen verbunden, was die Verluste bei der Produktion wettmachen kann. Strom wird im vorliegenden Fall in Bereichen eingesetzt, in welchen eine Elektrifizierung mit einer Effizienzsteigerung verbunden ist oder falls zu wenig Biomasse zur Verfügung steht.
- Fernwärme fällt bei der thermischen Stromproduktion als Nebenprodukt an und trägt, falls sie genutzt wird, zur Verbesserung des Wirkungsgrades bei. Ihr Hauptnachteil ist, dass für ihre Verteilung sehr teure Fernwärmenetze benötigt werden. Im vorliegenden Fall wird Fernwärme im bisherigen Umfang weiter eingesetzt. Auf einen Ausbau der Fernwärmeerzeugung wird jedoch verzichtet.
Bei der Festlegung der Menge der zu ersetzenden fossilen Energieträger wird vom Verbrauch im Jahr 2019 ausgegangen. Die Wahl von 2019 als Basisjahr für die vorliegenden Betrachtungen erfolgte, weil dieses Jahr noch nicht durch die COVID19-Pandemie beeinflusst wurde und noch alle Kernkraftwerke in Betrieb waren. Für das Jahr 2050 wird wird angenommen, dass die Bevölkerung um 20% zunimmt. Die Fahrzeugzahl, der Gebäudebestand und die Industrieproduktion werden proportional angehoben.
Insgesamt wurden 2019 in der Schweiz 163,3 TWh/a an fossilen Energieträgern verbraucht. Der in Kehrichtverbrennungsanlagen verbrannte fossile Müllanteil, das Kerosin für den Flugverkehr sowie das zur Kunststoffproduktion stofflich genutzte Erdöl lassen sich nicht sinnvoll ersetzen und müssen mittels Negativemissionen kompensiert werden.
Abzüglich dieser Ausnahmen beläuft sich der Ersatzbedarf auf insgesamt 148,2 TWh/a. Hinzu kommen 25,3 TWh/a für den Ersatz der Kernenergie und 1,9 TWh/a für die Erhöhung der Restwassermengen. Insgesamt sind 175,4 TWh zu ersetzen. Dafür existiert für jedes betrachtete Einsatzgebiet eine erprobte und marktfähige Ersatztechnologie. Dabei kommen insbesondere die Elektrifizierung und in geringerem Umfang die Nutzung von zusätzlicher Biomasse zum Einsatz.
Mit 71,5 TWh/a ist beim Strom der grösste Zusatzbedarf zu verzeichnen. Der Mehrbedarf an Biomasse ist im Vergleich dazu. mit 5,2 TWh/a relativ klein.
Unten ist der Verbrauch der verschiedenen Energieträger vor und nach der Umstellung des Energiesystems im Detail zusammengestellt.
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Ausgangslage
Der Energieverbrauch des Jahres 2019 ist in der Tabelle 1 zusammengestellt. Insgesamt wurden 2019 in der Schweiz 163,3 TWh/a aus fossilen Energiequellen verbraucht, wobei diese allesamt importiert werden mussten. Die dafür aufgewendeten Kosten belaufen sich gemäss Tab. 41 der Gesamtenergiestatistik 2019 auf 6,8 Mia. CHF. Davon entfielen 5,9 Mia. CHF auf Erdölprodukte, 0,9 Mia. CHF…
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Endzustand
Die wegfallenden fossilen Energieträger können zum Teil durch zusätzlich produzierte Biomasse ersetzt werden. Das diesbezügliche nachhaltige Ausbaupotenzial in der Schweiz wurde in einer Studie der WSL detailliert erhoben. Es beläuft sich gemäss Tabelle 1 der Studie auf:
Wegfallende Stromproduktion
Ein Teil des Ersatzbedarfs ergibt sich aus der Ausserbetriebnahme der Kernkraftwerke und der Erhöhung der Restwassermengen. Dieser beläuft sich auf 27,2 TWh/a wovon 25,3 TWh/a auf die Kernenergie und 1,9 TWh/a auf die Erhöhung der Restwassermengenentfallen.
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Kernkraftwerke
Im Jahr 2019 verfügte die Schweiz über die Kernkraftwerke Beznau, Gösgen Leibstadt und Mühleberg. Gemäss Elektrizitätsstatistik 2019 produzierten sie im Basisjahr 25,3 TWh/a Strom.
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Restwasser
Im Jahr 1992 wurden im Sinne eines indirekten Gegenvorschlags zur Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» die gesetzlichen Anforderungen bezüglich der minimal zulässigen Restwassermengen verschärft. Die Verschärfung tritt bei der Neukonzessionierung von Wasserkraftwerken in Kraft und wird im Laufe der Jahre zu einer Reduktion der Wasserkraftproduktion führen. Gemäss der Studie Wasserkraftpotenzial der Schweiz werden sich die…
Wahl der Ersatztechnologie
Die Wahl einer geeigneten Ersatztechnologie hängt insbesondere vom Verwendungszweck des zu ersetzenden Energieträgers ab. Fossile Energieträger werden heute vor allem zur Wärmeerzeugung (Raumheizung, Warmwasser und Prozesswärme) sowie im Mobilitätsbereich eingesetzt. Ein kleinerer Teil wird umgewandelt und zur Strom- und Fernwärmeerzeugung sowie in der chemischen Industrie zur Produktion von Kunststoffen eingesetzt:
- Energieumwandlung: Bei der Energieumwandlung werden Primärenergieträger insbesondere für die Erzeugung von Strom- und Fernwärme genutzt. Dies erfolgt zum grössten Teil in Wasser- und Kernkraftwerken und in geringerem Umfang in Wärmekraftwerken, wo neben Biomasse auch Müll und ein kleinerer Anteil an Erdgas und Erdöl eingesetzt werden.
- Wärmeerzeugung: Im Wärmeerzeugungsbereich wird von einer vollständigen energetischen Sanierung der Altbauten ausgegangen. Raumwärme und Warmwasser werden vollumfänglich mittels Wärmepumpen erzeugt. Dabei werden nicht nur die fossilen Energieträger, sondern auch das in den genannten Bereichen bisher genutzte Energieholz ersetzt. Die fossilen Energieträger im Prozesswärmebereich werden soweit als möglich durch Holz ersetzt. In den verbleibenden Fällen kommen industrielle Elektroöfen zum Einsatz.
- Mobilität: Beim Individualverkehr (Personenwagen, Lieferwagen, Motorräder) können die fossilen Energieträger durch Elektrifizierung ersetzt werden. Dies ist beim Schwerverkehr nur teilweise und beim Flugverkehr überhaupt nicht möglich, weshalb dort eine Umstellung auf Biogas, biogene oder strombasierte Treibstoffe vorgesehen ist.
Bei der Wahl der für den Ersatz einzusetzenden Technologien wird vom heutigen Entwicklungsstand und dem heute erzielbaren Wirkungsgrad unter realistischen Einsatzbedingungen ausgegangen. Insbesondere werden keine Ersatztechnologien kreditiert, die sich noch im Entwicklungs- oder Pilotstadium befinden.
Im Folgenden wird im Detail auf die bei jedem Verwendungszweck notwendigen Umstellungen und die damit verbundenen Mehrkosten eingegangen.
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Wärmekraftwerke
In Wärmekraftwerken (Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), Biogasanlagen und Holzkraftwerke) werden fossile Energieträger und Biomasse für die Strom- und Fernwärmeerzeugung genutzt. Dabei steht die Fernwärmeerzeugung im Vordergrund. Wärmekraftwerke liefern mit 6,2 TWh/a etwa 94% der schweizerischen Fernwärmeproduktion.
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Raumheizung
In der Schweiz wurde 2019 eine Gebäudefläche von 775 Mio. m2 beheizt (Energiebezugsfläche, EBF). Der gesamte Energiebedarf für die Erzeugung von Raumwärme belief sich auf 64,2 TWh/a, was einem mittleren spezifischen Heizbedarf von 83 kWh/m2/a entspricht. Von der eingesetzten Heizenergie entfielen 43,5 TWh/a auf fossile Brennstoffe, 7,4 TWh/a auf Holz, 0,1 TWh/a auf Biomüll, 0,3…
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Warmwasser
Der Energiebedarf für die Erzeugung von Warmwasser belief sich im Jahr 2019 auf 12,3 TWh/a. Davon entfielen 7,0 TWh/a auf fossile Brennstoffe, 0,6 TWh/a auf Holz, 0,1 TWh/a auf Biogas, 0,7 TWh/a auf Fernwärme, 1,9 TWh/a auf Strom für Elektroboiler und auf 0,9 TWh/a Strom für Wärmepumpenboiler. Letztere bezogen zusätzlich 1,0 TWh/a Wärme aus der…
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Prozesswärme
Der Verwendungszweck Prozesswärme umfasst das Kochen und Backen in den privaten Haushalten sowie die Wärmeerzeugung im Rahmen von industriellen Prozessen.
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Individualverkehr
Unter dem Verwendungszweck Individualverkehr werden der Energieverbrauch der Personenwagen, Lieferwagen und Motorräder sowie der Tanktourismus subsummiert.
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Schwerverkehr
Der Verwendungszweck Schwerverkehr umfasst den Energieverbrauch der Lastwagen, Busse sowie des Off-Road-Verkehrs (Baumaschinen, Landwirtschafts- und Industriefahrzeuge, Militär (ohne Flugverkehr) sowie Schifffahrt).
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Flugverkehr
In der Klimastrategie 2050 vorgesehen, dass der schweizerische Flugverkehr im Jahr 2050 netto keine klimawirksamen Emissionen mehr verursachen soll. Ein entsprechender Absatz findet sich im Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz (KIG). Gemäss Art. 3 Abs. 6 des Gesetzes ist vorgesehen, die Emissionen aus in der Schweiz getankten Treibstoffen für internationale Flüge in das Netto-Null-Ziel…
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Übrige
Die Position Übrige umfasst die Verwendungszwecke Beleuchtung, Klima & Haustechnik, Informatik & Kommunikation Antriebe & Prozesse und Sonstiges.
Der Ersatzbedarf ist bereits enorm, wenn die Schweiz bis 2050 auf Erdöl und Erdgas verzichten will und der Energiebedarf für die Mobilität, die Heizung sowie für Gewerbe und Industrie doch weiterhin (neu mit Strom) gedeckt werden soll.
Wenn noch gleichzeitig auf KKW verzichtet werden soll und der zukünftige Energiebedarf nur dank Wasser, Sonne und Wind neu gedeckt werden soll, wird unsere Energieversorgung dann so zuverlässig wie diejenige von armen asiatischen oder afrikanischen Staaten sein. Wollen wir das wirklich?
Lieber Herr Schwarz
Herzlichen Dank für den sehr informativen Vortrag in Frauenfeld!
Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Energie.
Freundliche Grüsse
Witold Ming, Vorstand TNG