Variante Wasserstoff

Abbildung 1: Puertollano Green Hydrogen Plant, Iberdrola, Spanien (Bildquelle).

«Wasserstoff kann zu einem essenziellen Element der schweizerischen Energieversorgung werden» So lautet ein zentrales Ergebnis einer Studie des Verbandes schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) mit dem Titel «Energiezukunft 2050».

Mit der Variante Wasserstoff wird versucht die Aussage des VSE nachzuvollziehen. Dabei wird der Sommerüberschuss einer voll ausgebauten Gebäudephotovoltaikinfrastruktur zur Produktion von Wasserstoff eingesetzt. Dieser Wasserstoff wird zusammen mit ebenfalls nötigen Importen im Winter zur Stromerzeugung in Gaskraftwerken genutzt. Der resultierende Produktionsmix ist in Tabelle 1 zusammengestellt.

Tabelle 1: Produktionsmix für die Variante Wasserstoff (Kosten in Mia. CHF).

Verbrauch/
Produktion
Jahr-
2019
[TWh/a]
Diff.

[TWh/a]
Jahr-
2050
[TWh/a]
Sommer

[TWh/a]
Winter

[TWh/a]
Anlage-
investition
[GCHF]
Netz-
investition
[GCHF]
Gesamt-
investition
[GCHF]
Jahres-
kosten
[GCHF]
Bedarf-65.6-48.6-114.2-54.2-60.0161.328.1189.410.3
Stromverbrauch-65.6-48.6-114.2-54.2-60.0161.328.1189.416.0
Energieträger0.00.00.00.00.00.00.00.0-5.7
Produktion71.942.3114.254.260.0147.339.0186.315.2
Kernkraftwerke25.3-25.30.00.00.00.00.00.0-1.2
Wärmekraftwerke3.70.23.92.01.90.30.00.30.0
Wasserkraftwerke40.66.046.627.419.17.90.07.90.5
Restwasser0.0-1.9-1.9-1.0-0.90.00.00.00.1
Gebäude-PV2.260.062.243.718.5127.139.0166.110.1
Windenergie0.10.00.10.00.10.00.00.00.0
H2-Synthese0.0-11.2-11.2-18.06.712.00.012.01.0
H2-Import0.014.514.50.014.50.00.00.04.7
Saldo6.3-6.30.00.00.0308.667.1375.625.5

Die Parameter der Variante Wasserstoff entsprechen im Wesentlichen der Philosophie des Produktionsmixes der Energieperspektiven 2050+. So wie dort werden ausser bescheidenen 4,3 TWh/a Windenergie für die benötigte zusätzliche Stromproduktion nur unumstrittene Produktionstechnologien berücksichtigt. Die Wasserkraft wird mittel zusätzlicher Kleinwasserkraftwerken und der Erneuerung der bestehenden Wasserkraftwerke moderat ausgebaut. Auf eine Kreditierung der geothermischen Stromproduktion von 2,0 TWh/a wurde aufgrund ihrer unsicheren Erfolgsaussichten jedoch verzichtet. Die Gebäudephotovoltaik wird maximal ausgebaut, die Winterstromimporte auf die ohne Stromabkommen verfügbare Importkapazität von 10 TWh/a

Mit dem Sommerüberschuss von 18 TWh/a können in der Schweiz 340 kt H2 produziert werden aus welchen im Winter 6,7 TWh/a Strom erzeugt werden können. Dies reicht nicht aus um das Winterdefizit zu decken. Es müssen deshalb zusätzliche 735 kt H2 importiert werden mit denen wiederum 14,5 TWh/a Strom produziert werden können. Die Details zur Herstellung und Rückverstromung von Wasserstoff finden sich in den unten folgenden Abschnitten.

Mit Ausnahme der Windenergie welche nur in geringem Umfang zum Tragen kommt, beeinträchtigen alle eingesetzten Produktionstechnologien das Landschaftsbild kaum. Entsprechend wenig Widerstand ist gegen ihren Ausbau zu erwarten. Mit einem Investitionsbedarf von 370,6 Mia. CHF und jährlichen Kosten von 23,2 Mia. CHF/a ist die Variante jedoch sehr teuer.

Wasserstoffherstellung

In einem ersten Schritt muss der Wasserstoff mittels Wasserelektrolyse produziert werden. Die heute marktgängigsten Elektrolyseure basieren auf der Alkali-Elektrolyse und benötigen gemäss Abbildung 4-4 der IndWDEe-Studie Strom im Umfang von 4,4 kWh zur Erzeugung von einem Normkubikmeter Wasserstoff (unteres Ende der Spannbreite). Dies entspricht einem heizwertbezogenen Wirkungsgrad von 69%. Für die Erzeugung der für die Produktion von 1 kg Wasserstoff werden gemäss den obigen Annahmen 48,0 kWh benötigt.

Die spezifischen Investitionskosten für Alkali-Elektrolyseure belaufen sich gemäss Tabelle 4-10 der IndWEDe-Studie auf 4’000 EUR/Nm3/h. Weil die Wasserstoffproduktion grossmehrheitlich im Sommerhalbjahr stattfindet, wird angenommen, dass die Elektrolyseure 4’000 Std. pro Jahr im Betrieb sind. Mit einer Investition von 4’000 CHF können somit 4’000 Nm3 Wasserstoff pro Jahr produziert werden. Dies entspricht 360 kg pro Jahr. Umgerechnet auf 1 kg Wasserstoff pro Jahr belaufen sich die Investitionskosten auf 11 CHF/kg H2/a. Die jährlichen Wartungs- und Instandhaltungskosten belaufen sich gemäss Abbildung 4-11 auf 1,4% der Investitionskosten. Die Lebensdauer der Elektrolyseure wird in Abbildung 4-9 mit 60’000 h angegeben. Dies entspricht beim vorgesehenen Einsatz 15 Betriebsjahren. Unter der Annahme eines Realzinses von 1,6% ergeben sich mit den vorgenannten Parametern Kapital- und Betriebskosten von 1,0 CHF/kg H2/a.

Wasserstofflagerung

Der im Sommer produzierte Wasserstoff muss bis zu seiner Verwendung im Winter gelagert werden. Die Lagerung von Wasserstoff benötigt sehr viel Platz. Gemäss Wikipedia benötigt Wasserstoff selbst wenn er auf 700 bar komprimiert wurde, immer noch ein Volumen 18 l/kg H2. Um den Wasserstoff so stark zu komprimieren werden 12% des Energieinhaltes des Wasserstoffs benötigt.

Verflüssigter Wasserstoff würde ein Volumen von 14 l/kg H2 benötigen. Aufgrund des grossen Energieaufwandes zur Verflüssigung von Wasserstoff von 28% des Energieinhaltes des Wasserstoffs und der Lagerverluste durch Boil-Off von 3% pro Tag ist die Langzeitlagerung in flüssiger Form jedoch keine wirtschaftliche Alternative.

Wenn Wasserstoff zur Lagerung in Ammoniak umgewandelt, wird benötigt er in Form von flüssigem Ammoniak noch 8 l/kg H2. Die Lagerung von Ammoniak in flüssiger Form ist heute Stand der Technik. So werden Lagertanks mit einer Kapazität von 50’000 kt flüssigem Ammoniak kommerziell angeboten (siehe).

Die Konversion von Wasserstoff zu Ammoniak benötigt rund 9% des Energieinhaltes des Wasserstoffs und ist damit effizienter als die Komprimierung auf 700 bar. Es liegt deshalb auf der Hand, dass in Zukunft ein grosser Teil des Wasserstoffs in Form von Ammoniak gehandelt wird.

Insbesondere ermöglicht der Einstieg in die Ammoniakwirtschaft den Import von Wasserstoff mittels Schifftransporten und macht die Schweiz damit unabhängig vom EU-Wasserstoff-Pipelinenetz. Dies ist wichtig weil der schweizerische Zugang zu diesem Netz zurzeit noch unklar ist.

Wenn die Kenndaten des Maaden Ammonia Werkes in Saudi Arabien zugrunde gelegt werden, erfordert die Produktion von 1,1 Mio. t Ammoniak pro Jahr Investitionen von 900 Mio. CHF (siehe). Dies entspricht 0.8 CHF/kg NH3/a oder 4.8 CHF/kg H2/a. Bei einem Realzins von 1,6%, Betriebskosten von 2% der Investitionssumme und einer Betriebsdauer von 20 Jahren ergeben sich Kapital- und Betriebskosten von 0,06 CHF/kg NH3/a. Dies entspricht 0,36 CHF/kg H2/a.

Rückverstromung des Wasserstoffs

Die Zurückverwandlung des Wasserstoffs in Strom erfolgt in Gaskombikraftwerken mit für Ammoniak geeigneten Gasturbinen. Der Wirkungsgrad solcher Kraftwerke beträgt rund 60%. Aus einem

Die Kosten von Gaskombikraftwerken belaufen sich gemäss den Berechnungen der Technischen Universität Graz auf 400 CHF/kW bis 700 CHF/kW je nach Kraftwerkstyp.

Unter der Annahme, dass diese Kraftwerke 4’000 h/a in Betrieb sind, belaufen sich die Investitionskosten für die Rückverstromung auf 138 CHF/MWh/a. Bei einem angenommenen Wirkungsgrad von 60% werden für die Erzeugung 1 MWh rund 50 kg H2 benötigt. Die für die Rückverstromung benötigte Investition beträgt folglich 2,8 CHF/kg H2/a. Bei einem Realzins von 1,6%, Betriebskosten von 2% der Investitionssumme und einer Betriebsdauer von 35 Jahren ergeben sich Kapital- und Betriebskosten von 0,2 CHF/kg H2/a.

Nutzungszyklus

Der energetische Wirkungsgrad der Wasserstoffnutzung über den gesamten Nutzungszyklus (Power-to-H2-to-NH3-to-Power) beläuft sich auf 38%. Die Investitionskosten für die Produktion und Rückverstromung von 1 kg/H2/a belaufen sich auf 18,6 CHF (11,0 CHF für die Hydrolyse, 4,8 CHF für die Ammoniakerzeugung und 2,8 CHF für das Gaskombikraftwerk). Die Kapital- und Betriebskosten betragen 1,6 CHF/kg H2/a (1,0 CHF für die Hydrolyse, 0,4 CHF für die Ammoniakerzeugung und 0,2 CHF für das Gaskombikraftwerk).

Wenn der Wasserstoff aus schweizerischen Sommerüberschüssen produziert wird, können die Stromkosten vernachlässigt werden. Dies weil zu erwarten ist, dass in Zukunft in Mitteleuropa im Sommer generell mit Stromüberschüssen zu rechnen ist und dass deshalb die Sommerstrompreise sehr tief sein werden. Auf eine MWh umgerechnet ergeben sich Kosten von 80 CHF/MWh.

Bei importiertem Wasserstoff kann mit einem Strompreis von 48 CHF/MWh gerechnet werden. Eine importierte MWh kostet damit 195 CHF/MWh.

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