Variante Saisonspeicherung

Abbildung 1: Stauseen in den Schweizer Bergen (Bildquelle).

Die Gebäudephotovoltaik erzeugt den grössten Teil ihrer Produktion im Sommer. Wie in der Variante Dachsolar aufgezeigt wurde entstehet dabei ein sehr grosser Sommerüberschuss. Es liegt deshalb Nahe zu versuchen einen allfälligen Sommerüberschuss zur Deckung des Winterdefizits heranzuziehen. Diese saisonale Verschiebung ist Inhalt der folgenden Betrachtungen.

Damit die Verluste bei der saisonalen Speicherung nicht zu gross werden, muss eine Speichertechnologie mit hohem Wirkungsgrad eingesetzt werden. Aufgrund ihres niedrigen Strom-Strom-Zykluswirkungsgrades von lediglich 40% – 50% kommen Wasserstoff-, Druckluft- oder Wärmespeicher (Flüssigsalz- resp. Sandspeicher) dafür nicht in Frage. Batteriespeicher sind beim saisonalen Einsatz exorbitant teuer, sodass als einzige Speichertechnologie die Pumpspeicherkraftwerke übrigbleiben. Diese stellen die einzige verfügbare Speichertechnologie mit hohem Wirkungsgrad dar, welche in der Lage ist grosse Energiemengen zu tragbaren Kosten zu speichern.

In Tabelle 1 ist dargelegt wie sich das Winterdefizit durch die saisonale Verschiebung vermeiden lässt.

Tabelle 1: Produktionsmix der Variante Saisonspeicherung (Kosten in Mia. CHF).

Verbrauch/
Produktion
Jahr-
2019
[TWh/a]
Diff.

[TWh/a]
Jahr-
2050
[TWh/a]
Sommer

[TWh/a]
Winter

[TWh/a]
Anlage-
investition
[GCHF]
Netz-
investition
[GCHF]
Gesamt-
investition
[GCHF]
Jahres-
kosten
[GCHF]
Bedarf-65.6-48.6-114.2-54.2-60.0161.328.1189.410.3
Stromverbrauch-65.6-48.6-114.2-54.2-60.0161.328.1189.416.0
Energieträger0.00.00.00.00.00.00.00.0-5.7
Produktion71.942.4114.254.260.1142.7135.0277.714.5
Kernkraftwerke25.3-25.30.00.00.00.00.00.0-1.2
Wärmekraftwerke3.70.23.92.01.90.30.00.30.0
Wasserkraftwerke40.69.449.929.420.512.30.012.30.8
Restwasser0.0-1.9-1.9-1.0-0.90.00.00.00.1
Gebäude-PV2.259.361.543.218.3125.738.5164.210.0
Windenergie0.14.24.31.42.94.40.85.20.4
Saisonspeicherung0.0-3.5-3.5-20.817.30.095.795.74.3
Saldo6.3-6.20.00.00.0304.0163.1467.124.8

Die Variante Saisonspeicherung basiert auf einem Zubau von 9,4 TWh/a Wasserkraft, 59,3 TWh/a Gebäudephotovoltaik und 4,2 TWh/a Windenergie. Aus diesem Produktionsmix resultieren ein Sommerüberschuss von 20,8 TWh/a und ein Winterdefizit von -17,3 TWh/a. Dank der saisonalen Verschiebung kann der genannt Sommerüberschuss zur Deckung des Winterdefizits herangezogen werden.

Dank der saisonalen Verschiebung wird deutlich weniger Gebäudephotovoltaik als bei der Variante Dachsolar benötigt. Statt 90,6 TWh/a sind nun 61,5 TWh/a ausreichend. Allerdings sind diese saisonalen Verschiebungen mit erheblichen Kosten verbunden. Mit einem Investitionsbedarf von 467,1 Mia. CHF und jährlichen Kosten von 24,8 Mia. CHF/a ist die Variante auch sehr teuer.

Energiebedarf und Kosten der saisonalen Speicherung

Um den im Sommer anfallenden Strom für den Winter zu speichern, wird im Sommer Wasser in höhergelegene Speicherseen gepumpt. Der Zykluswirkungsgrad der zum Hochpumpen und Turbinieren des Wassers eingesetzten Pumpturbinen beträgt rund 83%.

Die benötigte Speicherkapazität für die Produktion von 0,83 TWh/a Winterstrom beläuft sich auf 0,9 TWh/a. Mit der saisonalen Speicherung eines Sommerüberschusses von 1 TWh/a können somit im Winter 0,83 TWh/a Strom erzeugt werden. Das Winterdefizit reduziert sich entsprechend.

Für die Berechnung der benötigten Pumpleistung wird angenommen, dass im Sommer während 4 Monaten hohe Stromüberschüsse zur Verfügung stehen. Dies entspricht rund 1’500 sonnigen Stunden. Die während dieser Zeit benötigte Pumpleistung zum Hochpumpen von 0,9 TWh/a beträgt rund 0,7 GW. Die gleiche Leistung steht im Winter für die Turbinierung des hochgepumpten Wassers zur Verfügung. Zum Vergleich: Die Gesamtleistung der schweizerischen Pumpspeicherkraftwerke beträgt heute 3,8 GW und ihre Speicherkapazität 0,5 TWh/a.

Weil die heutigen Pumpspeicherkraftwerke für die tägliche und nicht für die saisonale Energiespeicherung optimiert sind, steht auch die benötigte Speicherkapazität heute nicht zur Verfügung und müsste ebenfalls zugebaut werden.

Um abzuschätzen was das bedeutet, sind in Tabelle 2 die Kenndaten neu gebauten oder geplanten schweizerischen Pumpspeicherkraftwerke der letzten Jahre zusammengestellt. Die beiden bereits bewilligten Projekte Grimsel 3 und Lago Bianco wurden aus Rentabilitätsgründen sistiert.

Tabelle 2: Kenndaten neu gebauten oder geplanten schweizerischen Pumpspeicherkraftwerke der letzten Jahre (Quellen: https://www.axpo.com/ch/de/ueber-uns/energiewissen.detail.html/energiewissen/pumpspeicherwerk-limmern.html, https://www.alpiq.ch/energieerzeugung/wasserkraftwerke/pumpspeicherkraftwerke/nant-de-drance, https://www.alpiq.ch/energieerzeugung/wasserkraftwerke/pumpspeicherkraftwerke/hongrin-leman, https://www.grimselstrom.ch/ausbauvorhaben/zukunft/pumpspeicherkraftwerk-grimsel-3/, https://www.repower.com/gruppe/%C3%BCber-uns/unsere-anlagen/projekte/pumpspeicherwerk-lagobianco/).

ProjektStatusLeistung

[MW]
Höhen-
differenz
[m]
Speicher-
kapazität
[GWh]
Fläche

[ha]
Stau-
volumen
[Mio. m3]
Projekt-
kosten
[Mio. CHF]
Linth-LimmernBetrieb1’0006303384232’100
Nant de DranceBetrieb9002752055252’000
Veytaux IIBetrieb42088010016053331
Grimsel 3Sistiert76053621014657885
Lago BiancoSistiert1’0501’30080150262’500
TriftPlan80425215 85390

Die spezifischen Investitionskosten der in Tabelle 2 zusammengestellten Projekte bewegen sich zwischen 2’380 CHF/kW beim Projekt Lago Bianco und 790 CHF/kW beim Projekt Veytaux II. Da es sich bei diesen Projekten um Ausbauprojekte an bestehenden Anlagen handelt, werden die genannten Investitionskosten im Wesentlichen für die Erstellung von neuen Stollen und Kraftwerkszentralen und nicht für neue Staumauern aufgewendet.

Für die vorliegende Abschätzung wird von spezifischen Investitionskosten von 2’000 CHF/kW für die neu zu erstellenden Stollen und Kraftwerkszentralen ausgegangen. Die Kosten für die Bereitstellung der für das vorliegende Beispiel benötigten Pumpleistung von 0,7 GW betragen somit 1,4 Mia. CHF.

Hinzu kommen die Kosten für die neu zu erstellenden Talsperren mit einem Speichervolumen von 0,9 TWh/a, was rund einem Zehntel der heutigen Energiespeicherkapazität aller heutigen schweizerischen Speicherkraftwerke entspricht.

Die dafür aufzuwendenden Erstellungskosten sind sehr schwierig zu beziffern, weil sie sehr stark von den jeweiligen topographischen Verhältnissen an den gewählten Standorten abhängen.

Die folgende einfache Überschlagsrechnung anhand der Eckdaten der sich im Bau befindlichen Ersatzstaumauer Spitallamm ergibt Baukosten von rund 600 CHF/m3 verbautem Beton (Baukosten 125 Mio. CHF, Betonvolumen 220’000 m3). Gemäss dem Schweizerischen Talsperrenkomitee beträgt das Bauvolumen aller schweizerischen Talsperren 53,4 Mio. m3. Für die saisonale Vershiebung von 0,83 TWh/a wird rund ein Zehntel der bestehenden Kapazität benötigt, wofür neue Staumauern mit einem Bauvolumen von 5,3 Mio. m3 gebaut werden müssen. Mit dem genannten Kubikmeterpreis von 600 CHF/m3 ergeben sich Baukosten von 3,2 Mia. CHF.

Die Gesamtkosten für die neu zu erstellenden Pumpspeicherwerke für die saisonale Verschiebung von 0,838 TWh/a belaufen sich auf 4,6 Mia. CHF. Die spezifischen Investitionskosten betragen 5’540 CHF/MWh. Bei einer Nutzungsdauer der Anlagen von 100 Jahren, einem Realzins von 1,6% und Betriebskosten von 2,5% der Investitionskosten ergeben sich reine Speicherkosten von rund 250 CHF/MWh (ohne Berücksichtigung der Stromkosten der Pumpverluste). Das ist 2,5-Mal teurer als Strom aus alpinen Solaranlagen.

Saisonale Speicherung lohnt sich nur dann, wenn die Kosten für die Speicherung niedriger als die Stromproduktionskosten im Winter sind. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Obwohl die Speicherkosten aufgrund des angewendeten sehr einfachen Schätzverfahrens mit grossen Unsicherheiten behaftet sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Kosten für die saisonale Speicherung deutlich über den Produktionskosten von Wind- resp. alpinen Photovoltaikanlagen liegen. Die saisonale Speicherung des Sommerüberschusses bietet somit aus Kostensicht keine Vorteile.

Bei der Beurteilung der Akzeptanz einer saisonalen Speicherlösung ist zu beachten, dass bereits für die Bereitstellung von 8,3 TWh/a Winterstrom die heutige Speicherkapazität aller schweizerischen Speicherkraftwerke verdoppelt werden müsste. Der dafür benötigte Flächenbedarf wäre erheblich. Die schweizerischen Stauseen mit einem Stauvolumen von mehr als 10 Mio. m3 haben eine Fläche von rund 150 km2. Für die saisonale Verschiebung von 8,3 TWh/a Winterstrom würden somit weitere 150 km2 gebraucht. Mit alpinen Solaranlagen kann auf dieser Fläche weit mehr Strom, nämlich 41,0 TWh/a (davon 22,6 TWh/a im Winter), produziert werden.

Abgesehen von der lediglich hypothetischen Machbarkeit, bietet die saisonale Speicherung in Schweizer Stauseen somit weder aus ökonomischer noch aus ökologischer Sicht Vorteile gegenüber dem Zubau von Wind- resp. alpinen Photovoltaikanlagen.

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