Unsinn Fernwärme

Abbildung 1: Strassenbaustelle (Bildquelle: https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/aarau-wird-aufgerissen-wie-noch-nie-ld.1323132).

27. Dezember 2022

Bald werden in Zürich wieder flächendeckend die Strassen aufgerissen, um neue Fernwärmeleitungen zu verlegen. Dabei ist Fernwärme nur teuer und ineffizient und nicht einmal klimaneutral.

Am 27. November 2022 hat die Stadt Zürich über den Ausbau der thermischen Netze abgestimmt. 84% der Stimmberechtigten haben einem Rahmenkredit zur Finanzierung des Vorhabens von 573 Mio. CHF zugestimmt. Die in den letzten vier Jahren in der Stadt Zürich für Fernwärme bewilligten Kredite summieren sich damit auf 1’188 Mio. CHF. Das ist ein stolzer Betrag, kostet er doch jede/n Stadtbewohner/in 2’700 CHF.

Trotz dieser hohen Kosten finden sich auf der Webseite der Stadt Zürich oder der beteiligten Institutionen, ausser dem dünnen Abstimmungsbüchlein, kaum Informationen zum Vorhaben. Um mir trotzdem ein Bild vom Nutzen dieser Investitionen zu machen, habe ich begonnen selber nachzurechnen.

Kosten des Ausbaus des Fernwärmenetzes

Das Abstimmungsbüchlein liefert keine Angaben zur Anzahl der Dank des Fernwärmeausbaus ersetzbaren fossilen Heizungen. Aufgrund der angegebenen CO2-Einsparung von 56’000 t CO2 kann diese Zahl jedoch berechnet werden.

Die fossilen Heizungen in der Stadt Zürich produzieren pro kWh rund 0,271 kg CO2. Die durch Fernwärme eingesparten 56’000 t CO2 entsprechen somit einem Wärmeverbrauch von 207 GWh pro Jahr. Da der CO2-freie Anteil der Fernwärme gemäss Abstimmungsbüchlein lediglich 85% beträgt, kommen zu diesem Wärmeverbrauch noch 37 GWh/a hinzu, womit sich eine Gesamtverbrauch von 244 GWh/a ergibt. Eine durchschnittliche Heizung eines Einfamilienhauses verbraucht jährlich 20 MWh/a Wärme. Die 244 GWh/a entsprechen folglich 12’200 Heizungen.

Der Fernwärmeausbau, der 573 Mio. CHF kostet, kann somit 12’200 fossile Heizungen à 20 MWh/a ersetzen. Dies entspricht 47’000 CHF pro Heizung und ist damit deutlich teurer als alle auf dem Markt angebotenen Heizsysteme vergleichbarer Grösse.

Nutzung der Abwärme aus der Kehrichtverbrennung

Man könnte jetzt argumentieren, dass die Energie für den Betrieb des Fernwärmenetzes besonders wenig kostet und dass die höheren Investitionskosten deshalb gerechtfertigt sind. Dies trifft sogar teilweise zu. In den Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) Hagenholz und Josephstrasse wurden im Jahr 2021 511 GWh Fernwärme aus ohnehin zu entsorgendem Abfall produziert. Dieser «Gratisbrennstoff» liefert gemäss Tätigkeitsbericht 2021 jedoch nur 53% der Fernwärmeproduktion von Entsorgung und Recycling Zürich. Der Rest wird vom Holzheizkraftwerk Aubrugg (16%) geliefert resp. Mithilfe von Erdgas und Erdöl erzeugt (31%).

Es ist vorgesehen die KVA Hagenholz mit einer dritten Ofenlinie aufzurüsten. Weil im Gegenzug die KVA Josephstrasse stillgelegt wurde, kann damit die Fernwärmeproduktion mittels Kehricht nur unwesentlich gesteigert werden.

Wärmegewinnung aus Gewässern und Kläranlagen

Die für die Fernwärmeerzeugung verfügbare Kehrichtmenge ist beschränkt und wird bereits im heutigen Fernwärmenetz vollumfänglich genutzt. Die Energie für die neuen Ausbauten muss deshalb aus anderen Quellen stammen. Gemäss Abstimmungsbüchlein ist vorgesehen, die zusätzlich benötigten Wärmemengen zum grössten Teil mittels zentraler Grosswärmepumpen zu erzeugen. Diese werden mit Strom betrieben.

Damit stellt sich die nächste Frage: Sind zentrale Grosswärmepumpen so viel effizienter als dezentrale, sodass sich die Investition in ein teures Wärmeverteilnetz lohnt? Die zürcherischen Fernwärmeproduzenten liefern auf ihren Websites keine Antwort auf diese Frage. Nach einer kleinen Recherche weiss ich auch warum: Grosswärmepumpen in einem Fernwärmenetz sind sehr ineffizient.

Die Effizenz einer Wärmepumpe wird über ihre Jahresarbeitszahl (JAZ) ausgedrückt. Eine Wärmepumpe mit einer JAZ von beispielsweise 4,0 kann aus 1,0 kWh Strom 4,0 kWh Wärme produziert werden. Die Grosswärmepumpen im Zürcher Fernwärmenetz sollen ihre Wärme aus dem See, der Limmat sowie der Kläranlage Werdhölzli beziehen. Gemäss einer Studie von Prognos und dem Hamburg Institut liegt die JAZ solcher Grosswärmepumpen zwischen 2,7 (Wärmequelle Oberflächengewässer) und 3,0 (Wärmequelle Kläranlagen, vgl. Tabellen 7 und 8 der Studie). Für sogenannte Wasser/Wasser-Wärmepumpen sind das sehr schlechte Werte. Dezentrale Wasser/Wasser-Wärmepumpen erreichen eine JAZ von 5,0. Selbst einfache Luft/Wasser-Wärmepumpen, die heute am weitesten verbreitet sind, erreichen Werte von 3,5 und darüber.

Der Grund für das schlechte Abschneiden der Grosswärmepumpen liegt am hohen Temperaturniveau, welches für die Wärmeeinspeisung im Fernwärmenetz erreicht werden muss. Während in einem Einfamilienhaus mit Bodenheizung 30⁰C – 35⁰C ausreichen, werden im Fernwärmenetz 70⁰C – 80⁰C benötigt. Um dieses hohe Temperaturniveau zu erreichen, benötigen die zentralen Grosswärmepumpen viel mehr Energie als dezentrale Wärmepumpen. Hinzu kommt, dass der Wärmetransport im Fernwärmenetz mit rund 12% Verlust behaftet ist. Insgesamt hat der geplante Fernwärmeausbau eine sehr schlechte Energiebilanz.

Kosten für den Endkunden

Kann wenigstens der Endkunde vom Ausbau des Fernwärmenetzes profitieren? Ein Blick in das Tarifmerkblatt sagt nein. Gemäss diesem belaufen sich die einmaligen Anschlusskosten für ein Einfamilienhaus mit einem Wärmeverbrauch von 20 MWh/a auf 27’500 CHF. Hinzu kommen fixe jährliche Kosten von 1’488 CHF/a und Energiekosten von 78 CHF/MWh.

Zum Vergleich: Eine Luft/Wasser-Wärmepumpe für dasselbe Einfamilienhaus kostet mit 27’000 CHF nur unwesentlich weniger. Die jährlichen Wartungskosten sind mit 250 CHF/a aber deutlich günstiger und auch die Energiekosten sind bei einem angenommenen Strompreis von 220 CHF/MWh mit 63 CHF/MWh niedriger (Kostenangaben siehe). Die Luft/Wasser-Wärmepumpe ist somit bezüglich aller genannten Aspekte günstiger als ein Fernwärmeanschluss.

Hinzu kommt, dass die gemäss Tarif anfallenden Anschlusskosten von 27’500 CHF viel zu niedrig sind. Bei Projektkosten von 47’000 CHF pro Heizung verbleibt bei jeder ersetzten Heizung eine Deckungslücke von 19’500 CHF. Wie unter diesen Umständen der mittel- bis langfristig angestrebte wirtschaftliche Betrieb realisiert werden kann ist mir schleierhaft. Die öffentliche Hand wird wohl oder übel die entstehenden Defizite tragen müssen. Trotz dieser verkappten Subvention, bringt die Fernwärme in der Stadt Zürich dem Endkunden keine Kostenvorteile.

Klimaneutralität

Die Stadtzürcher Fernwärme ist nicht klimaneutral. Im Jahr 2021 stammten 58% der produzierten Fernwärme aus fossilen Quellen. Davon stammten 27% aus den fossilen Anteilen des verbrannten Kehrichts, welche sich kaum vermeiden lassen. 31% stammen aus der Nutzung von Erdgas und -öl, welche eingesetzt werden, um im Winter Spitzenlasten abzudecken.
Bis 2040 soll im Stadtzürcher Fernwärmenetz auf fossile Energieträger verzichtet werden. Dazu soll in Tagesspeicherkapazitäten und den vermehrten Einsatz von Biomasse investiert werden. Selbstredend sind dafür weitere Kredite der öffentlichen Hand nötig was die Rechnung weiter verteuert…

Fazit

Der Ausbau des Stadtzürcher Fernwärmenetzes ist sehr teuer. Mit 47’000 CHF für eine Durchschnittsheizung kostet er deutlich mehr als jedes andere auf dem Markt verfügbare Heizungssystem. Wenn mit den 573 Mio. CHF Luft/Wasser-Wärmepumpen finanziert würden statt sie für den Ausbau des Fernwärmenetzes auszugeben, könnte man mit dem gleichen Geld 21’200 statt nur 12’200 Heizungen ersetzen.

Die Wärme für die neuen Fernwärmeanschlüsse wird mittels wenig effizienten Grosswärmepumpen aus Strom erzeugt. Der Endkunde bezahlt trotz beträchtlichen, von der öffentlichen Hand übernommenen Investitionskosten mehr für die Fernwärme als für eine dezentrale Luft/Wasser-Wärmepumpe. Und das ist noch nicht alles:
Die Stadtzürcher Fernwärme ist nicht einmal klimaneutral.

Jetzt soll mir einmal jemand erklären, warum wir einen solchen Unsinn umsetzen und weshalb 84% der Stimmbevölkerung das auch noch unterstützen. Auf die Antworten bin ich gespannt.

2 Kommentare zu «Unsinn Fernwärme»

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