Mit Wasserstoff die Energiewende retten?

Abbildung 1: Offshore-Produktion von Wasserstoff (Bildquelle: HamburgNews )

22. Dezember 2023

Mithilfe von importiertem Wasserstoff soll sich gemäss einer Studie des Verbandes schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) die Energiewende noch retten lassen. Das vom VSE favorisierte Szenario ist aber teuer und zudem gibt es bessere Alternativen.

«Wasserstoff kann zu einem essenziellen Element der schweizerischen Energieversorgung werden» So lautet ein zentrales Ergebnis der Studie des Verbandes schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) mit dem Titel «Energiezukunft 2050». Im vom VSE favorisierten Szenario «offensiv-integriert» liefern Gaskraftwerke, die mit importiertem Wasserstoff betriebene werden, ganzjährig rund 13 TWh Elektrizität , 9 TWh davon im Winter. Sie decken damit rund 20% des Winterbedarfs.

Das ist also die Vision des VSE. Doch macht diese Sinn?
Wie immer, folgt nun eine kleine Berechnung:

Wasserstoffherstellung

In einem ersten Schritt muss der Wasserstoff aus einer wässrigen Kalilauge hergestellt werden. Dafür werden 48 kWh Strom pro Kilogramm Wasserstoff benötigt.

Die Produktion des Wasserstoffs erfolgt mittels sogenannter Elektrolyseure. Wenn die Elektrolyseure 4’000 Std. pro Jahr im Betrieb sind, verursachen sie Kapital- und Unterhaltskosten von 0,80 CHF/ kg produziertem Wasserstoff. Die Details zu dieser Kostenrechnung finden sich hier.

In der VSE-Studie wird für das Jahr 2050 von einem Preis für Wasserstoff von 2,25 CHF/kg ausgegangen. Daraus lässt sich zusammen mit den oben genannten Kapital- und Unterhaltskosten von 0,80 CHF/kg der für die Produktion zugrunde gelegte Strompreis ableiten. Er beläuft sich auf (2,25 CHF – 0,80 CHF) / 48 kWh = 0,03 CHF/kWh oder 30 CHF/MWh.

Zum Vergleich: Strom aus schweizerischen alpinen Solaranlagen kostet 103 CHF/MWh und aus Windturbinen 88 CHF/MWh (vgl. georgschwarz.ch/produktionspotenzial). Es ist klar, dass es in Europa Länder gibt, die für die Produktion von Solar- oder Windstrom besser geeignet sind als die Schweiz. Doch selbst wenn die genannten Schweizer Wind- und Alpin-Solarpreise halbiert werden, sind sie immer noch viel teurer als die 30 CHF/MWh, welche der VSE für Wasserstoff ausgerechnet hat. Womit sich für mich die Frage stellt, welches europäische Land unter diesen Bedingungen bereit ist, seine Landschaft für einen solchen Spottpreis verschandeln zu lassen.

Auch der Import aus Übersee ist keine Lösung. Falls der Wasserstoff von dort bezogen wird, muss er für den Seetransport verflüssigt werden. Dafür sind rund 30% der in ihm gespeicherten Energie notwendig. Dies verteuert den Transport im Vergleich zu Pipelines massiv.

Insgesamt wage ich stark zu bezweifeln, dass im Jahr 2050 Wasserstoff zu einem Preis von 2,25 CHF/kg bezogen werden kann. Trotzdem wird im Folgenden von dieser sehr optimistischen Preisannahme des VSE ausgegangen.

Wasserstoffnutzung

Gemäss Abbildung 22 der VSE-Studie, werden im Szenario «offensiv-integriert» 21,8 TWh/a der insgesamt importierten 26,9 TWh/a an Wasserstoff für die Stromerzeugung verwendet. Die Stromerzeugung erfolgt in der Schweiz mithilfe von Gaskraftwerken. Damit werden gemäss Abbildung 9 der VSE-Studie 13,3 TWh/a Strom erzeugt. Dies entspricht einem Wirkungsgrad von hohen 61%.

Um eine MWh Strom zu produzieren werden 55 kg Wasserstoff à 2,25 CHF/kg benötigt. Die reinen Energiekosten belaufen sich somit auf 124 CHF/MWh. Zudem sind Gaskraftwerke nicht gratis. Deren Kapital- und Betriebskosten müssen bei den Kosten der Wasserstoffwirtschaft ebenfalls berücksichtigt werden. Wenn, wie in der VSE-Studie angenommen wird, die Gaskraftwerke während 2’000 Stunden pro Jahr in Betrieb sind, ergeben sich gemäss Berechnungen der Technischen Universität Graz spezifische Investitionskosten von 368 CHF/MWh und Jahr. Bei einem Realzins von 1,6%, einer Betriebsdauer von 20 Jahren und Betriebskosten von 2,5% resultieren daraus jährliche Kosten von 25 CHF/MWh. Die gesamten Gestehungskosten für den aus importiertem Wasserstoff produzierten Strom betragen 149 CHF/MWh. Die 13,3 TWh Wasserstoffstrom kosten somit 2,0 Mia. CHF pro Jahr – ein stattlicher Preis für die Hälfte der heutigen AKW-Produktion.

Alternativen

Die vom VSE favorisierte Wasserstoffwirtschaft ist mit 149 CHF/MWh nicht nur sehr teuer, sie ist auch ineffizient. Die bei der Erzeugung und anschliessenden Rückverstromung anfallenden Stromverluste summieren sich auf 59%.

Schauen wir uns einmal die Alternativen an, die es dazu gibt:

  • Windenergie: Die aktualisierte Studie Windenergiestrategie von Suisse Eole, welche in Zusammenarbeit mit EnergieSchweiz erstellt wurde, beziffert das Windstrompotenzial in der Schweiz auf bis zu 50 TWh/a. Bei spezifischen Investitionskosten von 800 CHF/MWh bis 1’060 CHF/MWh resultieren Produktionskosten zwischen 67 CHF/MWh und 88 CHF/MWh (vgl. georgschwarz.ch/windenergie). Der Winterstromanteil der schweizerischen Windenergie ist mit 66% fast ebenso hoch wie die 69% bei der Wasserstoffverstromung.
  • Alpenstrom: Um die 9 TWh/a Winterstrom der Wasserstoffverstromung mittels alpiner Photovoltaik zu produzieren, muss eine Kapazität von 16,4 TWh/a zugebaut werden. Davon sind 3,0 TWh/a im Sommer überzählig und müssen weggeschaltet werden. Bei Produktionskosten der alpinen Photovoltaik von 103 CHF/MWh (vgl. georgschwarz.ch/alpine-pv) resultieren somit Gesamtkosten von 127 CHF/MWh.
  • Kernenergie: Um den genannten Winterbedarf von 9 TWh/a mit Kernenergie zu decken, ist eine Jahreskapazität von 18 TWh/a nötig. Die Kosten der Kernenergie belaufen sich auf 48 CHF/MWh (vgl. georgschwarz.ch/kernenergie ). Auch wenn im schlimmsten Fall 5,0 TWh/a keine Verwendung finden, resultiert immer noch ein Preis von lediglich 66 CHF/MWh.

Wie gezeigt, gibt es sehr wohl Alternativen zur Wasserstoffwirtschaft. Bei allen aufgeführten Alternativen ist der resultierende Strompreis deutlich niedriger – z.T. weniger als halb so hoch – als bei der vom VSE favorisierten Lösung. Zudem entsteht bei den Alternativen, im Unterschied zur VSE-Lösung, keine die Versorgungssicherheit gefährdende Auslandsabhängigkeit.

Diskussion

In der VSE-Studie erscheinen diese alternativen Möglichkeiten nicht. Der Grund dafür ist, dass sie sich ganz an den Energieperspektiven2050+ des Bundes orientiert, welche die Anteile von Wind-, Alpen- und Atomstrom stark beschränkt. So ist im VSE-Modell die maximale Windproduktion auf 6 TWh/a, die maximale Alpenstromproduktion auf 8,5 TWh/a und die maximale Kernenergieproduktion auf 4,8 TWh/a beschränkt. Damit wird ausgeschlossen, dass die genannten Produktionstechnologien signifikant zur Stromproduktion beitragen.

Als Begründung für die Beschränkungen wird auf die mangelhafte Akzeptanz der genannten Produktionstechnologien verwiesen. Es stimmt zwar, dass Windenergie, Alpenstrom und Kernenergie heute auf politischen Widerstand stossen. Dieser Widerstand ist aber kein Grund, die umstrittenen Produktionstechnologien à priori von den Betrachtungen auszuschliessen.

Damit sich die Bevölkerung eine Meinung zum bevorstehenden Umbau des Energiesystems machen kann, sollten alle Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt werden. Der heutige Widerstand gegen einzelne Produktionstechnologien ist nicht in Stein gemeisselt. Die öffentliche Meinung kann sich ändern, insbesondere wenn sich die Bevölkerung der Konsequenzen bewusst wird, die ein Verzicht auf diese Technologie mit sich bringt.

In der VSE-Studie wird jedoch nur ein einziger Lösungsweg in vier leicht unterschiedlichen Ausprägungen präsentiert. Dabei ist der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft weder alternativlos, noch preisgünstig. Zudem macht sich die Schweiz damit weiter von der EU abhängig. Allenfalls ist dafür sogar ein Stromabkommen nötig, das ohne Rahmenabkommen nicht zu haben ist. Letzteres ist ebenfalls stark umstritten, womit sich der Kreis schliesst:
Es gibt keine Technologie die nur Vorteile und keine Nachteile hat.

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