Klimaziel Flugverkehr
Abbildung 1: Betankung Flughafen Zürich(Bildquelle: Flughafen Zürich ).
7. Januar 2023
Das Parlament hat die Gletscherinitiative mit einem neuen Gesetz umgesetzt. Sofern das dagegen ergriffene Referendum nicht zustande kommt, kann es zeitnah in Kraft gesetzt werden. Mit dem neuen Gesetz wird das Netto-Null-Ziel auch auf den internationalen Luftverkehr ausgedehnt. Das wird nicht nur das Fliegen verteuern. Auch die übrigen Auswirkungen dieses Entscheides auf die Energiestrategie sind gewichtig: der Bedarf an CO2-freiem Strom verdoppelt sich.
Der internationale Flugverkehr ist nicht Teil der UNO-Klimakonvention. Im schweizerischen Treibhausgasinventar werden zurzeit nur die Emissionen aus den nationalen Flügen, nicht aber aus den internationalen Flügen erfasst. In der Klimastrategie 2050 hat sich der Bundesrat letztes Jahr ehrgeizigere Ziele für die Reduktion des CO2-Ausstosses gesetzt: Ab dem Jahr 2050 soll die Schweiz auch im internationalen Luftverkehr unter dem Strich keine Treibhausgasemissionen mehr ausstossen. Mit dem am 30. September 2022 vom Parlament verabschiedeten indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, wird dieses Ziel jetzt auch auf Gesetzesstufe verankert Artikel 3 Absatz 6 verlangt, dass künftig “die Emissionen aus in der Schweiz getankten Treibstoffen für internationale Flüge und Schifffahrten mitberücksichtigt” werden.”
Was bedeutet diese Neuerung für unser Energiesystem und die Flugpreise?
Wahl des Ersatztreibstoffs
Es ist technisch sehr schwierig Flugzeuge auf einen alternativen Treibstoff umzurüsten. Deshalb wird zumindest für das nächste Jahrzehnt weiterhin mit Kerosin geflogen werden. Die Industrie arbeitet zwar daran, neue Triebwerke zu entwickeln, vor 2035 ist aber nicht damit zu rechnen, dass z.B. wasserstoffbetriebene Flugzeuge auf den Markt kommen werden. Als Ersatztreibstoff für den Flugverkehr kommt mittelfristig deshalb lediglich klimaneutrales, synthetisches Kerosin in Frage.
Somit stellt sich die Frage: Was braucht es, um das in der Schweiz getankte fossile Kerosin durch klimaneutrales, synthetisches Kerosin zu ersetzen?
Herstellung des Ersatztreibstoffs
Die Technologie zur Produktion von synthetischem Kerosin ist seit langem bekannt und im grossindustriellen Massstab verfügbar. Sie wird jedoch zurzeit aus Kostengründen nur vereinzelt eingesetzt. (Die Details zum Herstellungsverfahren für Synthesekerosin und alle Referenzen sind unter https://georgschwarz.ch/flugverkehr/ zu finden).
Im Jahr 2019 wurden in der Schweiz 1,9 Mia. kg fossiles Kerosin getankt. Für dessen Ersatz werden 0,95 Mia. kg Wasserstoff, 6,9 Mia. kg biogenes CO2 sowie eine Chemiefabrik benötigt.
Beginnen wir mit dem Wasserstoff: Er wird mittels sogenannter Elektrolyseure aus einer wässrigen Kalilauge hergestellt. Für die Produktion von einem Kilogramm Wasserstoff werden 48 kWh Strom benötigt. Der Stromverbrauch für die gesamte zu synthetisierende Kerosinmenge beläuft sich auf 45,6 TWh/a. Die Investitionskosten für die Elektrolyseure betragen 20,9 Mia. CHF.
Die Herstellung von Synthesetreibstoff verbraucht grosse Mengen von CO2: Für die Produktion der benötigten 1,9 Mia. kg Synthesekerosins braucht es 6,9 Mia. kg CO2. Damit der Synthesetreibstoff klimaneutral wird, muss er mit klimaneutralem CO2 hergestellt werden welches durch Abscheidung bei der Verbrennung von Biomasse gewonnen wurde. Die Abscheidung kann mittels der sogenannten Amin-Wäsche aus dem Rauchgas von Kehrichtverbrennungsanlagen und Heizkraftwerken sowie bei der Biogasgewinnung erfolgen. Mit jährlich 9,2 Mia. kg biogenem CO2 steht in der Schweiz mehr als genug klimaneutrales CO2 für die Kerosinsynthese zur Verfügung.
Die direkte Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre ist keine valable Alternative. Das sogenannte Direct Air Capturing verbraucht 2,3-mal mehr Energie als die CO2-Abscheidung aus Biomasse. Die Methode ist noch in einem frühen Versuchsstadium und sehr teuer. Zudem wird sie, wenn sie in grossem Stil eingesetzt wird, ganze Landstriche verunstalten.
Die Amin-Wäsche benötigt für die Abscheidung von 1 kg CO2 1,2 kWh Energie. Hochgerechnet auf die gesamte benötigte CO2-Menge ergibt dies 8,3 TWh/a. Die Investitionskosten für die Amin-Waschanlagen betragen 1,1 Milliarden CHF.
Im letzten Schritt wird aus dem Wasserstoff und dem CO2 Kerosin synthetisiert. Die dafür benötigte Chemiefabrik kostet 6,3 Mia. CHF. Da die an der Synthese beteiligten chemischen Reaktionen exotherm sind, muss für den letzten Schritt keine zusätzliche Energie zugeführt werden.
In der Summe werden für den Ersatz des fossilen Kerosins 53,9 TWh Strom, 6,9 Mia. kg biogenes CO2 sowie Investitionen im Umfang von 28,3 Mia. CHF benötigt.
Die Kosten des Synthesekerosins hängen sehr stark von den Kosten des für die Produktion verwendeten Stroms ab. Bei einem Strompreis von 100 CHF/MWh kostet Synthesekerosin 3,80 CHF/kg, bei einem Strompreis von 48 CHF/MWh sind es noch 2,30 CHF/kg.
Auswirkung auf das Energiesystem
Ohne Berücksichtigung des Flugverkehrs werden in der Schweiz für den Ersatz der fossilen Energieträger 56,5 TWh/a an zusätzlichem Strom benötigt. Durch den Einbezug des Flugverkehrskommen noch einmal 53,9 TWh/a hinzu, was fast eine Verdoppelung bedeutet.
Es ist zwar grundsätzlich möglich, das benötigte klimaneutrale Kerosin in der Schweiz herzustellen. Weil sein Preis jedoch weitgehend durch den Preis des zur Herstellung verwendeten Stroms bestimmt wird, ist es vorteilhafter, den benötigten Treibstoff aus Ländern mit tiefem Strompreis zu beziehen. Der Import des Synthesekerosins ändert natürlich nichts am hohen Strombedarf für seine Herstellung und es ist ungewiss, ob sich in Zukunft Länder finden lassen, die bereit sind günstigen Flugtreibstoff für die Welt zu produzieren.
Noch ungewisser ist, ob in den Ländern mit billigem Strom auch genügend klimaneutrales CO2 verfügbar ist. Dieses muss aus Biomasse gewonnen werden und nachhaltige Biomasse, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und Biodiversität produziert wurde, ist ein beschränktes Gut. Im wahrscheinlichen Fall, dass das klimaneutrale CO2 im Produktionsland selbst nicht verfügbar ist, müsste es von der Schweiz an den Treibstoffproduzenten geliefert werden.
Das heisst aber: selbst wenn das Synthesekerosin importiert wird, müsste der Strom für die Abscheidung des CO2 im Umfang von 8,3 TWh/a im der Schweiz produziert werden. Dies entspricht immerhin der Jahresproduktion des Kernkraftwerks Gösgen.
Auswirkung auf die Flugpreise
Wenn ein realistischer Strompreis von 48 CHF zugrunde gelegt wird, kostet Synthesekerosin 2,30 CHF/kg. Das ist rund das Vierfache des Preises von 0,63 CHF/kg der im Jahr 2019 für fossiles Kerosin bezahlt werden musste.
Gemäss Angaben des Luftverkehrs-Nachrichtenportals airliners.de machen die Treibstoffkosten zwischen 18% (Lufthansa) und 36% (Ryanair) der gesamten Flugkosten aus. Bei einer Vervierfachung des Treibstoffpreises steigen die Flugkosten somit um 54% bis 108%. Wir müssen davon ausgehen, dass diese zusätzlichen Kosten auf die Flugpreise durchschlagen.
Fazit
Der Ersatz der fossilen Flugzeugtreibstoffe durch klimaneutrales Synthesekerosin benötigt noch einmal soviel zusätzlichen Strom wie alle übrigen Massnahmen der Energiestrategie zusammen. Selbst wenn das benötigte klimaneutrale Kerosin importiert werden kann, muss im Inland die für die Produktion benötigte CO2-Menge aus Biomasse abgeschieden werden. Dafür werden 8,3 TWh/a Strom benötigt, was der Jahresproduktion des Kernkraftwerks Gösgen entspricht.
Durch den Einbezug des internationalen Luftverkehrs in die schweizerischen Klimaziele ist die Energiewende deutlich herausfordernder geworden. Die erst vor einem Jahr publizierten Energieperspektiven 2050+ des Bundes sind bereits überholt und müssten grundlegend revidiert werden.