Wiederverwendung
Abbildung 1: Petrochemische Raffinerie für die Produktion von Synthesetreibstoffen, Montonui, Neuseeland (Bildquelle).
Falls das abgeschiedene CO2 aus einer klimaneutralen Quelle stammt und wiederverwendet wird kann auf eine Langzeitspeicherung verzichtet werden. Dieses Vorgehen wird als Carbon Capture and Utilization (CCU) bezeichnet. Die Wiederverwendung beinhaltet insbesondere die Herstellung von synthetischen Treibstoffen.
In der Schweiz kommt für die Wiederverwendung des abgeschiedenen CO2 in erster Linie die Herstellung von klimaneutralem synthetischem Kerosin für den Flugverkehr in Frage. Im Folgenden wird aufgezeigt welche Prozesse und Verfahrensschritte nötig sind um abgeschiedenes CO2 zur Herstellung von synthetischem Kerosin für den Flugverkehr zu nutzen. Die Wahl des Flugverkehrs erfolgte vor dem Hintergrund, dass das Kerosin im Flugverkehr auf absehbare Zeit nicht ersetzt werden kann.
Die Synthese von Diesel oder Benzin für den Strassenverkehr erfolgt auf sehr ähnliche Weise. Der Einsatz von Synthesetreibstoffen im Strassenverkehr wird jedoch eine Nischenanwendung bleiben, da dort mit Elektrofahrzeugen eine deutlich günstigere Alternative zur Verfügung steht.
Die zur Produktion von Synthesekerosin benötigte Technologie ist im grossindustriellen Massstab verfügbar. So produzierte Neuseeland von 1986 bis 1999 mit einem technisch vergleichbaren, erdgasbasierten Gas-to-Liquid-Verfahren rund 50% seines Benzin- und Dieselverbrauchs. Aus kommerziellen Gründen wird die Technologie zurzeit jedoch nur vereinzelt eingesetzt.
Produktion des Synthesekerosins
Das Paul Scherrer Institut (PSI) hat verschiedene Verfahren zur Erzeugung von Flugtreibstoffen im Rahmen einer Life-Cycle-Studie näher analysiert. Im Folgenden wird vom sogenannten Methanol-Prozess ausgegangen. Für die Produktion von 1 kg Synthesekerosin werden gemäss Tabelle 7 der Life-Cycle-Studie 0,5 kg Wasserstoff benötigt, der mit Wasserelektrolyse produziert werden muss. Die heute marktgängigsten Elektrolyseure basieren auf der Alkali-Elektrolyse und benötigen gemäss Abbildung 4-4 der IndWDEe-Studie Strom im Umfang von 4,4 kWh zur Erzeugung von einem Normkubikmeter Wasserstoff (unteres Ende der Spannbreite). Dies entspricht einem brennwertbezogenen Wirkungsgrad von 80%. Für die Erzeugung der für die Produktion von 1 kg Synthesekerosin benötigten Wasserstoffmenge von 0,5 kg werden gemäss den obigen Annahmen 24,0 kWh benötigt.
Die spezifischen Investitionskosten für Alkali-Elektrolyseure belaufen sich gemäss Tabelle 4-10 der IndWEDe-Studie auf 4’000 EUR/Nm3/h. Weil die Wasserstoffproduktion grossmehrheitlich im Sommerhalbjahr stattfindet, wird angenommen, dass die Elektrolyseure 4’000 Std. pro Jahr im Betrieb sind. Mit einer Investition von 4’000 CHF können somit 4’000 Nm3 Wasserstoff pro Jahr produziert werden. Dies entspricht 360 kg pro Jahr. Umgerechnet auf die zu produzierende Menge an Synthesekerosin belaufen sich die Investitionskosten auf 5,5 CHF pro kg Synthesekerosin und Jahr. Die jährlichen Wartungs- und Instandhaltungskosten belaufen sich gemäss Abbildung 4-11 der IndWEDe-Studie auf 1,4% der Investitionskosten. Die Lebensdauer der Elektrolyseure wird in Abbildung 4-9 der IndWEDe-Studie mit 60’000 h angegeben. Dies entspricht beim vorgesehenen Einsatz 15 Betriebsjahren. Unter der Annahme eines Realzinses von 1,6% ergeben sich mit den vorgenannten Parametern Kapital- und Betriebskosten von 0,5 CHF pro kg Synthesekerosin und Jahr.
Damit der Synthesetreibstoff auch klimaneutral wird, muss er mit klimaneutralem CO2 hergestellt werden. Für die Produktion von 1 kg Synthesekerosin werden 3,27 kg CO2 benötigt. Dieses muss durch Abscheidung des bei der Verbrennung von Biomasse entstehenden CO2 oder durch Abscheidung aus der Atmosphäre gewonnen werden. Die entsprechenden Verfahren sind unter https://georgschwarz.ch/negativemissionen/ beschrieben.
Um aus Wasserstoff und Kohlendioxid Synthesekerosin herzustellen sind zwei Syntheseschritte nötig. In einem ersten Schritt wird Methanol erzeugt. Dieses Methanol wird anschliessend im zweiten Schritt in Synthesekerosin umgewandelt.
Die Technologien zur Produktion von Methanol mit Wasserstoff und Kohlendioxid als Ausgangssubstanzen sind heute auf den Weltmärkten gut etabliert. Die Weltmarktführerin CRI hat 2022 in Anyang City (Henan Province, China) eine Produktionsstätte mit einer Kapazität von 110’000 t Methanol pro Jahr für 90 Mio. USD erstellt. Daraus ergeben sich Investitionskosten von 820 CHF/t Methanol pro Jahr. Gemäss Flow-Scheme 2 der Life-Cycle-Studie werden für die Produktion von 1 kg Synthesekerosin 2,40 kg Methanol benötigt. Umgerechnet auf die zu produzierende Menge an Synthesekerosin belaufen sich die Investitionskosten für die Methanolsynthese auf 2,0 CHF pro kg Synthesekerosin und Jahr. Da die zugrundeliegenden chemischen Reaktionen exotherm sind, werden für die Methanolsynthese keine nennenswerten Mengen an zusätzlichem Strom benötigt.
Für den zweiten Schritt, die Umwandlung von Methanol zu Synthesekerosin kommt das MTG-Verfahren von Exxonmobile zum Einsatz. Zu den damit verbundenen Investitionskosten finden sich im Netz fast keine Angaben. Gemäss einer Studie von 2013 der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. (FVV) sind die Investitionskosten für das MTG-Verfahren um einen Drittel kleiner als die Investitionskosten für die Methanolsynthese (vgl. Tabelle 71, FVV-Studie). Daraus ergeben sich Investitionskosten von 550 CHF für die Weiterverarbeitung von einer Tonne Methanol pro Jahr.
Unter der Annahme, dass für die Produktion von 1 kg Synthesekerosin 2,40 kg Methanol benötigt werden, ergeben sich für das MTG-Verfahren umgerechnet auf die zu produzierende Menge an Synthesekerosin, Investitionskosten von 1,3 CHF pro kg Synthesekerosin und Jahr.
In der Summe werden für die Produktion von 1 kg Synthesekerosin in der Schweiz 26,7 kWh Strom (24,0 kWh für Elektrolyse) und 3,27 kg CO2 benötigt. Die Investitionskosten belaufen sich auf 8,8 CHF (5,5 CHF für Elektrolyse, 2,0 CHF für Methanolsynthese, 1,3 CHF für MTG-Verfahren) und die jährlichen Kapital- und Unterhaltskosten auf 0,7 CHF/a (Annahmen: Realzins 1,6%, Betriebskosten 1,5%, Lebensdauer 20 Jahre).
Kosten des Synthesekerosins
Bei einem angenommenen schweizerischen Strompreis von 100 CHF/MWh resultiert ein Stromkostenanteil von 2,4 CHF/kg Synthesekerosin. Hinzu kommen die jährlichen Betriebs- und Kapitalkosten der benötigten Produktionsanlagen von 0,7 CHF/kg Synthesekerosin. Der resultierende Kilopreis für das Synthesekerosin von 3,1 CHF/kg liegt innerhalb der Bandbreite von 2,4 CHF/kg – 4,8 CHF/kg die im PtX-Weissbuch des PSI angegebenen wird (vgl. Kapitel 5.5).
Weil Dank der Kerosinsynthese kein fossiles Kerosin mehr benötigt wird, können dessen Kosten von den Synthesekosten abgezogen werden. Im Jahr 2019 betrugen die schweizerischen Ausgaben für 1,9 Mt fossiles Kerosin 1,2 Mia. CHF resp. 0,63 CHF/kg. Damit reduziert sich der Preis des Synthesekerosins auf 2,5 CHF/kg. Umgerechnet auf die eingesetzten 3,27 kg CO2 ergibt das Kosten von 765 CHF/t CO2. Wenn die CO2-Abscheidung und die Kerosinsynthese an den gleichen Standorten erfolgt, entfallen die Transportkosten.
Die Gestehungskosten des Synthesekerosins werden zum grössten Teil durch die Produktionskosten des benötigten Stroms bestimmt. In Gegenden mit sehr tiefem Strompreis resultieren dann auch niedrigere Gestehungskosten. Im Ausland produziertes Synthesekerosins würde bei einem angenommenen Strompreis von 48 CHF/MWh Selbstkosten von 1,9 CHF/kg verursachen. Abzüglich der Kosten von fossilem Kerosin resultieren Mehrkosten von 1,3 CHF/kg. Umgerechnet auf die eingesetzten 3,27 kg CO2 ergibt das Kosten von 400 CHF/t CO2. Hinzu kommen die Transportkosten von der Schweiz zum Produktionsland von 49 CHF/t CO2 (Abbildung 17 des Zusatzberichtes zu den Energieperspektiven 2050+).