Vom Fleisch und vom Fliegen

Abbildung 1: Kuh und Flugzeug (Bildquelle).

2. März 2023

Statt einem Gerichtstermin beizuwohnen, sind zwei Klimaaktivisten nach Thailand in die Ferien geflogen. Dabei hat jede Person so viel CO2 ausgestossen, wie wenn sie 716 kg Schweinefleisch gegessen hätte. Die Zahl mag verblüffen, trotzdem ist dieser Blog weder ein Aufruf zum Verzicht aufs Fliegen, noch zum Verzicht auf Schweinefleisch.

Schweizer Wissenschaftler präsentieren am 2. Februar 2023 Handlungsempfehlungen für die Ernährungswende in der Schweiz. Darin fordern sie, dass der Konsum von Fleisch, Milchprodukten und Eiern in den nächsten sieben Jahren zu halbieren sei. Am gleichen Tag sorgten Medienberichte über einen Thailandflug zweier Klimaaktivisten der «Letzten Generation» für Aufregung. Von Doppelmoral und Heuchelei war die Rede.

Auf den ersten Blick haben die beiden Berichte wenig miteinander zu tun. Trotzdem gibt es mehrere Berührungspunkte. So stossen Landwirtschaft und Flugverkehr in der Schweiz mit 6,4 Mt CO2-eq/a resp. 6,2 Mt CO2-eq/a eine sehr ähnliche Menge an Treibhausgasen aus. Die Treibhausgasemissionen sowohl der Landwirtschaft als auch des Flugverkehrs lassen sich zudem mit technischen Mitteln kaum verhindern, weshalb in beiden Bereichen von Klimaschutzkreisen Verzicht gefordert wird.

In diesem Blog möchte ich aufzeigen, welche Auswirkungen ein Flugverzicht resp. ein Fleischverzicht auf das Klima hätte.

Berechnung der Treibhausgasemissionen von Lebensmitteln

Zum Treibhausgasausstoss von Lebensmitteln findet man im Netz eine Vielzahl unterschiedlichster Angaben. Um ein Beispiel zu nennen: Gemäss eines durchaus seriösen Berichts des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (IFEU), beläuft sich der CO2-Fussabdruck von Schweinefleisch auf 5,1 kg CO2-eq/kg. In der Datenbank der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird für ein kg Schweizer Schweinefleisch ein Wert von 1,8 kg CO2-eq/kg angegeben, dies ist dreimal weniger als in der IFEU-Publikation.

Auf solch grosse Unterschiede trifft man in den verschiedenen Quellen häufig. Der Grund dafür liegt offensichtlich bei den verwendeten, unterschiedlichen Berechnungsmethoden:

  • Territorialprinzip vs. Verursacherprinzip: Beim Verursacherprinzip werden beim Import von Nahrungsmitteln die damit zusammenhängenden Treibhausgasemissionen dem importierenden Land zugeschrieben. Beim Territorialprinzip hingegen werden nur die im jeweiligen Land produzierten Nahrungsmittel berücksichtigt. Die Schweiz importiert einen beträchtlichen Teil ihrer Nahrungsmittel und weist deshalb bei der Anwendung des Territorialprinzips geringere Emissionen aus.
  • Produktionsgebiet: Die Treibhausgasemissionen für das gleiche Nahrungsmittel variieren sehr stark je nach geografischer Region, in der es produziert wird. So werden gemäss FAO-Datenbank bei der Produktion von einemKilogramm Schweinefleisch in Sierra Leone 25-mal mehr Treibhausgase freigesetzt als in der Schweiz. Auch werden in Klimarechnern oft weltweite Durchschnittswerte anstelle länderspezifischer Daten verwendet.
  • Systemgrenzen: Es macht einen grossen Unterschied, wie die Systemgrenzen gezogen werden. Wenn die ganze Lieferkette eines Produktes vom Feld bis auf den Teller berücksichtigt wird, fallen die Treibhausgasemissionen logischerweise höher aus, als wenn nur das Rohprodukt betrachtet wird.

Damit die Treibhausgasemissionen der Nahrungsproduktion mit denjenigen des Verkehrsbereiches vergleichbar sind, und auch um doppelt Zählungen zu vermeiden, wurde für die folgenden Berechnungen die Methodik der Klimarahmenkonvention der UNO und des Kyoto-Protokolls verwendet. Die Angaben zu den Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft wurden dem schweizerischen Treibhausgasinventar entnommen. Bei der Methodik der Klimarahmenkonvention wird das Territorialprinzip angewandt. Die CO2-Emissionen zur Herstellung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln sowie der Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen etc. werden dem Industrie- resp. Verkehrssektor und nicht dem Landwirtschaftssektor zugeordnet. Die so berechneten Emissionswerte sind deshalb weit niedriger, als sie es bei Berechnungen auf der Basis des Verursacherprinzips mit weit gefassten Systemgrenzen wären.

Treibhausemissionen von Lebensmitteln gemäss Treibhausgasinventar

2019 beliefen sich die Treibhausgasemissionen der Schweiz gemäss der obigen Definition auf 6,4 Mt CO2-eq/a. Davon entfielen 4,2 Mt CO2-eq/a auf den Tierbestand und 2,1 Mt CO2-eq/a auf den Pflanzenbau (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Schweizerische Treibhausgas (THG) Emissionen der Landwirtschaft im Jahr 2019. 42 % der Ackerbaufläche dienen dem Tierfutteranbau und wurden in Spalte 4 auf die Tierproduktion umgelegt. Die Emissionen des Weidelandes wurden aufgrund der Emissionen des auf Weiden abgelagerten Urins und Dungs bestimmt. (Quellen: https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/en/dokumente/klima/klima-climatereporting/National_Inventory_Document.pdf.download.pdf/National_Inventory_Document_CHE_2023.pdf, https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/en/dokumente/klima/klima-climatereporting/CRF_Tables_CHE.zip.download.zip/CRF_Tables_CHE_2022_1990-2020.zip, https://www.sbv-usp.ch/fileadmin/sbvuspch/04_Medien/Agristat_aktuell/2021/Aktuell_AGRISTAT_2021-04.pdf ).

 THG-Emission

[Tsd. t]
THG-Emission

[%]
THG-Emission
inkl. Umlage
[Tsd. t]
THG-Emission
inkl. Umlage
[%]
Tierbestand423266529783
Milchkühe222635270342
Übrige Rinder133021161425
Schweine19133946
Geflügel1301142
Übrige Nutztiere47274727
Pflanzenbau214534108017
Futteranbau7821200
Weideland283400
Ackerbau108017108017
Total63771006377100

Auf 42% der Ackerbaufläche werden Futtermittel für die Tierproduktion angebaut. Die damit verbundenen Treibhausgasemissionen sowie die Emissionen des Weidelandes wurden in der vierten Spalte der Tabelle auf der Basis des jeweiligen Futtermittelkonsums auf die entsprechende Tierkategorie umgelegt. Inklusive dieser Umlage belaufen sich die Emissionen der Tierproduktion auf 5,3 Mt CO2-eq/a.

Klimabeitrag des Fleischverzichts

Der Ackerbau für Nahrungsmittel, welche wir Menschen essen, verursachte lediglich 1,1 Mt CO2-eq/a resp. 17% der Treibhausgasemissionen des Landwirtschaftssektors. Mit einer veganen Ernährung mit einem völligen Verzicht auf tierische Produkte (inkl. zum Beispiel Milchprodukte), lassen sich somit 5,3 Mt CO2-eq/a an Treibhausgasen einsparen (wenn der Mehrverbrauch an pflanzlicher Nahrung vernachlässigt wird).

Bei einer vegetarischen Ernährung sind die Einsparungen weit geringer. Dies liegt daran, dass allein die Milchproduktion für 42% der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Zudem lassen sich Milch- und Rindfleischproduktion nicht voneinander trennen. Dies liegt daran, dass Kühe nur Milch geben, wenn sie jedes Jahr ein Kalb bekommen. Eine schweizerische Kuh liefert im Durchschnitt 4,4 Jahre lang Milch. Während dieser Zeit bekommt sie vier Kälber. Von diesen vier Kälbern sind drei für den Erhalt des Milchkuhbestandes überzählig und werden deshalb geschlachtet. Auch Kühe, die aufgrund ihres Alters nicht mehr für die Milchproduktion genutzt werden können, werden geschlachtet.. Eine Milchproduktion ohne die Schlachtung überzähliger Tiere ist nicht möglich.

Mit einer vegetarischen Ernährung ohne Verzicht auf Milchprodukte würden die Treibhausgasemissionen des Landwirtschaftssektors lediglich um 1,1 Mt CO2-eq/a sinken. Das bei der Milchproduktion unvermeidliche Rindfleisch wäre überschüssig und müsste ins Ausland verkauft werden. Die zugehörigen Treibhausgasemissionen würden aber wegen des Territorialprinzips trotzdem der Schweiz angerechnet.

Wenn aber statt vegetarisch zu leben, nur auf Rindfleisch und Milchprodukte verzichtet würde, liessen sich die Treibhausgasemissionen deutlich stärker, nämlich um 4,3 Mt CO2-eq/a senken.

Diese Zahlen zeigen, dass der klimarelevanteste Faktor im Landwirtschaftssektor nicht generell das Fleisch, sondern die Rindviehhaltung ist.
Die Produktion von Schweine- und Geflügelfleisch verursacht mit 0,5 Mt CO2-eq/a eine vergleichsweise kleine Menge an Treibhausgasemissionen. Auf das kg Fleisch umgerechnet entspricht dies 1,8 kg CO2-eq pro kg Schweinefleisch und 0,3 kg CO2-eq pro kg Geflügelfleisch.

Soviel zum Fleisch und nun zum Fliegen.

Um nun den CO2-Fussabdruck des Ferienfluges der beiden Klimaaktivisten nach Thailand zu berechnen, stehen im Netz eine Vielzahl von Klimarechnern zur Verfügung. Wie bei den Lebensmitteln liefern sie auch für Flugreisen sehr unterschiedliche Zahlen. So beziffert der Klimarechner der Firma myclimate den CO2-Ausstoss eines Retourfluges Frankfurt-Bangkok auf 2’900 kg/CO2 pro Person. Der Klimarechner der Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) weist für den gleichen Flug lediglich 787,6 kg CO2 pro Person aus. Ohne den Ursachen für diesen enormen Unterschied auf den Grund zu gehen, zeigt dieses Beispiel sehr schön auf, dass auch vermeintlich genaue Zahlen zum Klimawandel immer im Kontext zu betrachten sind. In der folgenden Berechnung  verwende ich die tiefere ICAO-Zahl, weil diese mit der die Methodik der Klimarahmenkonvention kompatibel ist.

Beim Flug eines Klimaaktivisten nach Thailand wird die gleiche Menge CO2-Emissionen freigesetzt, wie bei der Produktion von 438 kg Schweinefleisch. Der Flug nach Thailand hat somit die gleiche Klimabilanz wie 438 kg Schweinefleisch. Der schweizerische Pro-Kopf-Verbrauch an Schweinefleisch beläuft sich gemäss dem Branchenverband Proviande auf 21 kg pro Jahr. Der Flug eines Schweizer Passagiers nach Thailand entspricht somit seinem durchschnittlichen Schweinefleischverzehr von 21 Jahren.
Die entsprechenden Zahlen für Geflügelfleisch sind sogar noch höher. Der Flug nach Thailand entspricht 2’627 kg Geflügelfleisch, soviel wie ein durchschnittlicher Schweizer in 175 Jahren isst.

Ich weiss nicht, ob die beiden Klimaaktivisten vegan leben. Wenn sie aber den Ferienflug nach Thailand mit einem Verzicht auf Schweine- oder Geflügelfleisch ausgleichen wollen, wird das ziemlich lange dauern.

Fazit

Die Zahl von 438 kg Schweinefleisch als Äquivalent zu einem Ferienflug nach Thailand mag überraschen. Trotzdem plädiere ich nicht für einen Flugverzicht, obwohl er deutlich klimawirksamer wäre als ein Schweinefleischverzicht. Verzichtsaufrufe sind generell nicht zielführend.

Deshalb zeige ich in meinem Hintergrundmaterial unter https://georgschwarz.ch/negativemissionen/ auf, wie den Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft und des Flugverkehrs begegnet werden kann, damit das Klima-Null-Ziel trotz Ferienflügen und Käsegenuss erreicht werden kann.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert