«Nichtstun» beim Klimaschutz kostet meistens weniger und nicht mehr

Abbildung 1: Eisbär (Bildquelle).

10. Juni 2023

Die These, dass «Nichtstun» teurer ist als aktiver Klimaschutz, wird von den für die Schweiz vorliegenden Studien nur für ein zukünftiges Energiesystem auf Basis der Kernenergie gestützt. Die von der offiziellen Politik favorisierten photovoltaikbasierten Energiesysteme sind vier- bis zehnmal teurer als «Nichtstun».

Nachdem immer deutlicher wird, dass die Kosten des Klimaschutzes erheblich sein werden, ziehen die Befürworter des Klimaschutzgesetzes ihren letzten Trumpf aus dem Ärmel: Die Kampagne «Nichts tun kostet mehr». Den Anfang machte der Walliser Energie- und Finanzdirektor Roberto Schmidt mit der Zahl 250 Millionen Franken pro Jahr. So viel koste der Klimawandel das Wallis jährlich, sagte Schmidt an der Medienkonferenz von Energieminister Albert Rösti. Die Zahl basiert auf einer persönlichen Schätzung von Schmidt und wurde in einem Artikel der NZZ ziemlich zerzaust. Zudem liege sie mit umgerechnet 700 Franken pro Person und Jahr deutlich unter den kursierenden globalen Maximalwerten.

Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen klingt zunächst dramatisch. Doch wie hoch wären bei nüchterner Betrachtung die Kosten, wenn wir nichts gegen den Klimawandel unternähmen?

Glaubt man den Beteuerungen von Knutti und den anderen Befürwortern des Klimaschutzgesetzes, ist die Sachlage sonnenklar: «Nichtstun» ist katastrophal und enorm teuer. Trotz der scheinbar klaren Sachlage sind belastbare Studien mit konkreten Kostenangaben für die Schweiz sehr rar. Ich habe bei meinen Recherchen nur drei gefunden.

Zwei davon stammen vom Laboratory of Environmental and Urban Economics (LEURE) der EPFL. Die erste Studie aus dem Jahr 2017 gibt einen Überblick über die ökonomisch relevanten Einflüsse des Klimawandels in der Schweiz. Diese umfassen Gesundheit, Gebäude und Infrastruktur, Energie, Wasserwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Ökosysteme, Tourismus und weitere internationale Auswirkungen (vgl. Tabelle 34). Die jährlichen klimawandelbedingten Nettoschäden werden für das Jahr 2060 auf 2,8 Mia. CHF geschätzt. Die Autoren schränken jedoch ein, dass verschiedene potenziell wichtige Effekte aufgrund fehlender Daten nicht simuliert werden konnten. Dies betrifft vor allem die Bereiche Wasserwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft sowie Ökosysteme.

In der zweiten Studie des LEURE aus dem Jahr 2018, werden für drei verschiedene Klimaszenarien konkrete Kostenangaben gemacht (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Aufschlüsselung der Wohlfahrtseffekte des Klimawandels in Mio. CHF im Jahr 2060 für drei verschiedene Klimaszenarien(Quelle: Tab. 11, https://infoscience.epfl.ch/record/234527).

Klimaszenario/EinflüsseRCP3PDA1BA2Differenz
Sterblichkeit-3’820-6’658-6’449-2’629
Produktivität-1’086-1’950-1’958-872
Heizung-Kühlung9441’5661’537593
Int. Energiepreise-1331211144
Landwirtschaft-80-138-137-57
Wasserwirtschaft-3-4-30
Wintertourismus3353532
Sommertourismus5201’032900380
Total-3’655-6’105-6’064-2’409
Sterblichkeit & Produktivität-4’906-8’608-8’407-3’501
Übrige1’2512’5032’3431’092

Das RCP3PD-Szenario ist ein Szenario mit niedrigen Emissionen, das aufgrund einer wirksamen Klimaschutzpolitik das dem RCP 2.6 Szenario des ICPP entspricht. Trotz der im Szenario RCP3PD berücksichtigten Klimaschutzmassnahmen, resultieren im Jahr 2060 Kosten von 3,7 Mia. CHF/a. Im Szenario A2 (siehe), einem Szenario mit hohen CO2-Emissionen und ohne Massnahmen zur Verringerung des Klimawandels ergeben sich Kosten von 6,1 Mia. CHF/a. Die Mehrkosten des «Nichtstuns» ergeben sich aus der Differenz der beiden Szenarien und belaufen sich auf 2,4 Mia. CHF/a.

Die Mehrkosten gemäss der LEURE-Studien ergeben sich fast ausschliesslich aus der temperaturbedingten, erhöhten Sterblichkeit und der verminderten Produktivität. Die übrigen Einflussgrössen werden durch den Klimawandel positiv beeinflusst.

In den beiden Studien des LEURE wird auf die Mehrkosten der durch den Klimawandel verursachten Schäden an Infrastrukturen nicht eingegangen. Diese sind jedoch signifikant und dürfen nicht vernachlässigt werden. Die diesbezüglichen Angaben finden sich in einer Studie von Swiss-Economics. In Tabelle 2 sind die in der Studie aufgeführten Mehrkosten der wichtigsten Schäden an Infrastrukturen zusammengestellt.

Tabelle 2: Übersicht über die Mehrkosten der wichtigsten Schäden an Infrastrukturen gemäss Tabelle in der Zusammenfassung der Studie. Die Monetarisierung der qualitativen Schadensstufen erfolgte aufgrund der in der Studie angegebenen Legende. (jährlich, zusätzlich zum Basisszenario in Mio. CHF, Quelle: https://www.swiss-economics.ch/files/content/dokumente/publikationen/2019_JaagSchnyder_KlimawandelUndInfrastrukturen_UVEK_DE.pdf).

AuswirkungSchaden
qualitativ
Schaden
quantitativ
Strassenverkehr: Schäden durch Niederschläge*-5
Strassenverkehr: Schäden durch Extremereignisse*-**-18
Strassenverkehr: Schäden durch Überflutungen**-***-53
Schienenverkehr: Schäden durch Verspätungen*-5
Schienenverkehr: Schäden durch Extremereignisse*-**-18
Schienenverkehr: Schäden durch Überflutungen*-**-18
Veränderte Energienachfrage*-***-90
Energieinfrastruktur: Shäden durch Extremereignisse**-30
Produktionsverluste Wasserkraftwerke***-75
Produktionsverluste Kernkraftwerke****-175
Wasserversorgung**-****-103
Industrieinfrastruktur: Schäden durch Extremereignisse*****-545
Sozialinfrastruktur: Schäden durch Extremereignisse**-30
Tourismus***-175
Total -1’338

Abzüglich der bereits in Tabelle 1 berücksichtigten Mehrkosten im Bereich Tourismus, ergeben sich für die Infrastrukturen Klimamehrkosten von 1,2 Mia. CHF/a.

In der Summe belaufen sich die Mehrkosten eines Szenarios mit hohen CO2-Emissionen und ohne Massnahmen zur Verringerung des Klimawandels in der Schweiz auf 3,6 bis 4,0 Mia. CHF/a.

Nun könnte man einwenden, dass die oben dargestellte Kostenbetrachtung zu kurz greift, da die Energiewende nicht nur den CO2-Ausstoß auf Null reduziert, sondern darüber hinaus weitere positive Effekte mit sich bringt.

Viel zitiert wird in diesem Zusammenhang die Studie des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE), welche die heutigen verkehrsbedingten Kosten der Luftverschmutzung auf 4,1 Mia. CHF/a beziffert. Es ist absehbar, dass diese Kosten durch die geplante vollständige Elektrifizierung des Energiesystems sinken werden. Um wie viel, ist allerdings offen, da auch Elektroautos die Luft mit Feinstaub belasten. Andererseits könnte die Elektrifizierung des Verkehrs auch Mehrkosten verursachen. Beispiele sind die erhöhte Brandgefahr von Elektroautos bei Unfällen oder die Zunahme von Unfällen mit Elektrofahrrädern.

Auch die Lärmbelastung eines vollständig elektrifizierten Energiesystems muss nicht a priori geringer sein als heute. So sind Luft-Wasser-Wärmepumpen eine nicht zu vernachlässigende Lärmquelle, die Nachbarn empfindlich stören kann. Auch die Auswirkungen eines vollständig elektrifizierten Energiesystems auf die Biodiversität sind nicht nur positiv. So stehen Windkraftanlagen nicht gerade im Ruf, besonders vogelfreundlich zu sein.

Wie die genannten Beispiele zeigen, ist der Nutzen für den Klimaschutz nicht eindeutig. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Klimaschutz auch einen Nutzen haben kann, der über die Vermeidung von CO2-Emissionen hinausgeht. Leider gibt es dazu für die Schweiz keine belastbaren Studien, weshalb an dieser Stelle keine konkreten Zahlen genannt werden können.

Fazit

Im RCP3PD-Szenario mit niedrigen CO2-Emissionen aufgrund einer wirksamen Klimaschutzpolitik belaufen sich die Kosten im Jahr 2060 auf 3.7 Mia. CHF/Jahr. Die Kosten des Szenarios A2 mit hohen CO2-Emissionen und ohne Klimaschutzmassnahmen belaufen sich auf 6.1 Mia. CHF/a. Die Differenz zwischen den beiden Szenarien entspricht den zusätzlichen Kosten des «Nichtstuns» und beträgt 2.4 Mia. CHF/A. Hinzu kommen 1,2 Mia. CHF/a für Mehrkosten aufgrund von klimabedingten Infrastrukturschäden. Die Gesamtkosten belaufen sich somit auf 3,6 Mia. CHF/a bzw. 420 CHF pro Person und Jahr.

Die Mehrkosten des «Nichthandelns» sind damit vier- bis zehnmal geringer als realistische Kostenschätzungen für den Klimaschutz, die sich für photovoltaikbasierte Energiesysteme in einer Bandbreite von 1’600 bis 4’400 CHF pro Jahr bewegen (jährliche Mehrkosten im Jahr 2050, inklusive der Kosten des internationalen Flugverkehrs, siehe Fig. 6e). Einzig ein vollständig auf Kernenergie basierendes Energiesystem wäre mit jährlichen Kosten von 350 CHF pro Person und Jahr günstiger (siehe https://georgschwarz.ch/variantenvergleich/).

Die These, dass «Nichtstun» teurer ist als aktiver Klimaschutz, wird von den für die Schweiz vorliegenden Studien nur für ein zukünftiges Energiesystem auf Basis der Kernenergie gestützt. Die von der offiziellen Politik favorisierten photovoltaikbasierten Energiesysteme sind vier- bis zehnmal teurer als «Nichtstun».

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