Klimaschutzgesetz erfordert drastischere Massnahmen als kommuniziert

Abbildung 1: Grosser Aletschgletscher (Bildquelle).

4. Mai 2023

Mit dem Klimaschutzgesetz (KIG), über das wir Mitte Juni abstimmen, wird der Fahrplan für die Dekarbonsierung deutlich beschleunigt. Eine einfache rechnerische Überprüfung dieses Fahrplans zeigt aber, dass viel drastischere Massnahmen als bisher angekündigt nötig werden. Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, müsste der Neubau und Ersatz von fossilen Heizsystemen per sofort verboten werden. Das Verbot von Verbrennungsmotoren wäre spätestens 2028 fällig.

Mit dem Klimaschutzgesetz wird das Netto-Null-Ziel erstmals auf Gesetzesstufe verankert und zudem auch auf den internationalen Luftverkehr ausgedehnt. Um dieses zu erreichen, enthält das Gesetz «Zwischenziele» für die Verminderung des generellen Treibhausgas-Ausstosses und zusätzlich «Reduktionsrichtwerte» für die wichtigsten Sektoren.

In Tabelle 1 sind die Richtwerte der Reduktionen gegenüber 1990 zusammengestellt, die gemäss dem Fahrplan des Gesetzes  bis 2040 und 2050 in den Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie mindestens erreicht werden sollen (vgl. KIG, Art. 4, Abs. 1). Für die übrigen drei Sektoren Landwirtschaft, Abfall und synthetische Gase hat das Gesetz noch keine Richtwerte für die Treibhausgasreduktion definiert. Das Gesetz hält sich aber explizit vor, auch für diese Sektoren Reduktionsziele vorzuschreiben. In der Tabelle wurden  die aktuellen Werte des Jahres 2019 eingesetzt.

Tabelle 1: Treibhausgasemissionen gemäss den Richtwerten für einzelne Sektoren absolut in Mt CO2-eq und relativ zu den Treibhausgasemissionen des Jahres 1990 in Prozent.

Jahr/
Sektor
GebäudeVerkehrIndustrieLandwirt-
schaft
AbfallSynth.
Gase
Total
[Mt CO2-eq]
199016.7018.0013.597.632.280.2558.45
201911.2220.7111.146.491.201.5152.27
20403.017.746.806.491.201.5126.74
20500.000.001.366.491.201.5110.56
Jahr/
Sektor
GebäudeVerkehrIndustrieLandwirt-
schaft
AbfallSynth.
Gase
Total
[%]
1990100100100100100100100
20196711582855360489
2040184350855360446
20500010855360418

Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, resultiert bei Einhaltung der geplanten sektoriellen Richtwerte per 2040 bloss eine Reduktion der Treibhausgase auf 46% und per 2050 auf 18%.Diese Reduktion reicht nicht aus um alle Anforderungen des KIG zu erfüllen. Dies weil zusätzlich zu den sektoriellen Richtwerten auch noch sektorübergreifende Verminderungsziele vorgegeben sind (KIG Art. 3, Abs. 3, Bst. b und Art. 3, Abs. 2). Diese schreiben vor, dass die Treibhausgasemissionen bis 2040 auf 25% und bis 2050 auf 0% reduziert werden müssen. Die in Tabelle 1 aufgeführten Reduktionen reichen somit nicht aus um diese Verminderungsziele zu erreichen.

Um das Gesetz zu erfüllen müssen die Treibhausgasemissionen noch weiter abgesenkt werden. Weitere Absenkungen sind jedoch nur beschränkt möglich was zum Problem der Restemissionen führt.

Restemissionen

Es gibt Bereiche der Schweizer Wirtschaft, deren CO2-Emissionen aus technischen Gründen auch über das Jahr 2050 hinaus nicht vermeidbar sind. Sie umfassen die Kehrichtverbrennung, die Zementindustrie und die Landwirtschaft mit ihren Methan- und Lachgasemissionen.  Dazu kommt auch der internationale Flugverkehr, der vom Parlament erstaunlicherweise auch ins KIG aufgenommen wurde Weil vor 2035 nicht damit zu rechnen ist, dass z.B. wasserstoffbetriebene Flugzeuge auf den Markt kommen werden, wird auch der Flugverkehr auf absehbare Zeit weiterhin auf den fossilen Treibstoff Kerosin angewiesen bleiben. Insgesamt summieren sich die nicht vermeidbaren Restemissionen auf 17,6 Mt CO2-eq/a (für Details siehe).

In Tabelle 2 wurden alle vermeidbaren Treibhausemissionen, z.B. aus Heizungen und Strassenverkehr auf Null gesetzt. Somit sind in der Tabelle ab 2040 nur noch die nicht vermeidbaren Restemissionen aufgeführt. Diese summieren sich immer noch auf 30% und überschreiten damit das vorgegebene, sektorübergreifende Verminderungsziel von 25%

Tabelle 2: Nicht vermeidbare Restemissionen für einzelne Sektoren absolut in Mt CO2-eq und relativ zu den Treibhausgasemissionen des Jahres 1990 in Prozent.

Jahr/
Sektor
GebäudeVerkehrIndustrieLandwirt-
schaft
AbfallSynth.
Gase
Total
[Mt CO2-eq]
199016.7018.0013.597.632.280.2558.45
201911.2220.7111.146.491.201.5152.27
20400.006.204.805.300.900.4017.60
20500.006.204.805.300.900.4017.60
Jahr/
Sektor
GebäudeVerkehrIndustrieLandwirt-
schaft
AbfallSynth.
Gase
Total
[%]
1990100100100100100100100
20196711582855360489
204003435693916030
205003435693916030

Um das Verminderungsziel von 25% trotzdem zu erreichen, müssten im Jahr 2040 3,0 Mt CO2-eq/a mittels Negativemissionen aus der Atmosphäre entfernt werden. Als Alternative dazu käme z.B. eine Reduktion des Flugverkehrs um 50% in Frage.

Weitere 10 Jahre später, im Jahr 2050, müssten dann sämtliche Restemissionen im Umfang von 17,6 Mt CO2-eq/a mittels Negativemissionen eliminiert werden.

Umbau des Energiesystems

Um das Verminderungsziel von 25% bis 2040, über das wir im Juni abstimmen, zu erreichen, müssten die Treibhausgasemissionen somit weit stärker reduziert werden, als dies die von Bund und Parlament vorgesehenen sektoriellen Richtwerte nahe legen. Wie aus Tabelle 2 ersichtlich ist, müssten bis 2040 viel drastischere Massnahmen ergriffen werden, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Wenn der Hauptfokus dabei wie geplant auf den Sektoren «Gebäude» und «Verkehr» liegen soll, müssen kurzfristig sämtliche fossilen Heizungen durch Wärmepumpen ersetzt und darüber hinaus der gesamte Strassenverkehr elektrifiziert werden.

Zusätzlich müssten ein grosser Teil der Kehrichtverbrennungsanlagen und Zementwerke mit CO2-Abscheidungsanlagen ausgerüstet worden sein, die in der Lage sind 3,0 Mt CO2-eq/a aus den Abgasen abzuscheiden. Weil die geologische Lagerung des abgeschiedenem CO2 ist Schweiz nicht sinnvoll machbar ist, muss ein Land gefunden werden, welches bereit ist, das CO2 aus der Schweiz in seinem Untergrund sicher zu speichern.

Und dies alles bis 2040, also in weniger als 17 Jahren

Von den Massnahmen, welche aufgrund der Pläne, denen wir mit dem Klimagesetz zustimmen sollen, wird auch die Bevölkerung unmittelbar betroffen sein:
Dies bedeutet nämlich nicht nur ein sofortiges Verbot des Neubaus und Ersatzes von fossilen Heizungen. Weil die durchschnittliche Nutzungsdauer von Heizungen 20 Jahre beträgt, müssen zudem noch rund 15% der fossilen Heizungen frühzeitig ersetzt werden. Die Mehrkosten für diesen Heizungsersatz würden sich auf 20,4 Mia. CHF belaufen. Die im KIG für den Heizungsersatz vorgesehenen Subventionen von 2,0 Mia. CHF decken jedoch lediglich 10% dieser Mehrkosten und sind zudem insbesondere für Anlagen im mittleren und höheren Leistungsbereich vorgesehen. Für die Eigenheimbesitzer wird wahrscheinlich nur ein kleinerer Teil der Gelder übrigbleiben.

Analoges gilt beim Strassenverkehr. Wenn dieser bis 2040 emissionsfrei sein soll, müssen Verbrennerfahrzeugen bis spätestens 2028 verboten und durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Die dafür anfallenden Mehrkosten, würden sich auf rund 71,3 Mia. CHF (Individualverkehr 64,0 Mia. CHF, Schwerverkehr 7,3 Mia. CHF) belaufen, wobei dafür keine Subventionen vorgesehen sind. Zudem werden die Flugpreise um 50% bis 100% steigen (für Details siehe).

Last but not least müssten auch die Anlagen zur Abscheidung von CO2 aus Abgasen und Atmosphäre realisiert werden. Dafür würden weitere 12,2 Mia. CHF benötigt. Auch hier decken die im KIG vorgesehenen Subventionen von 1,2 Mia. CHF decken lediglich 10% der Mehrkosten.

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