Klimaanlagen gegen Hitzetote
Abbildung 1: Erste Hitzewelle des Jahres 2023 (Bildquelle).
9. Juli 2023
Hitze verursacht Todesfälle und Produktivitätsverluste. Selbst wenn das Netto-Null-Klimaziel bis 2050 erreicht wird, sind die hitzebedingten Zusatzkosten erheblich. Mit Klimaanlagen könnten Hunderte von Menschenleben gerettet werden. Doch leider ist diese einfache und kostengünstige Lösung in der Klimadiskussion kein Thema.
Nach dem fünftwärmsten Juni seit Messbeginn, rollt pünktlich zum Züri Fäscht und der Openairsaison eine erste Hitzewelle über die Schweiz. Es wird heiss. Das macht nicht nur den Gletschern zu schaffen, sondern auch den Menschen.
Die Zunahme hitzebedingter Todesfälle ist die gravierendste Auswirkung des Klimawandels in der Schweiz. Eine Studie der Universität Bern kommt zum Schluss, dass im Jahr 2022 zwischen Juni und August 623 hitzebedingte Todesfälle aufgetreten sind. Dies entspricht einem Anteil von 3,5% an der Gesamtsterblichkeit. Davon sind 60% oder 370 Todesfälle auf den menschgemachten Klimawandel zurückzuführen.
Volkswirtschaftliche Mehrkosten des Klimawandels
Die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels im Jahr 2060 wurden in einer Studie des Laboratory of Environmental and Urban Economics (LEURE) der EPFL, für drei verschiedene Klimaszenarien erhoben (siehe Tabelle 1). Das RCP3PD-Szenario entspricht dem ICPP-Szenario RCP 2.6 und erfordert eine Reduktion der CO2-Emissionen auf Netto-Null bis 2050. Das Szenario A2 (siehe) stellt ein Szenario mit hohen CO2-Emissionen und ohne Klimaschutzmassnahmen dar.
Tabelle 1: Aufschlüsselung der Wohlfahrtseffekte des Klimawandels in Mio. CHF im Jahr 2060 für drei verschiedene Klimaszenarien(Quelle: Tab. 11, https://infoscience.epfl.ch/record/234527).
Klimaszenario/Einflüsse | RCP3PD | A1B | A2 | Differenz |
Sterblichkeit | -3’820 | -6’658 | -6’449 | -2’629 |
Produktivität | -1’086 | -1’950 | -1’958 | -872 |
Heizung-Kühlung | 944 | 1’566 | 1’537 | 593 |
Int. Energiepreise | -133 | 12 | 11 | 144 |
Landwirtschaft | -80 | -138 | -137 | -57 |
Wasserwirtschaft | -3 | -4 | -3 | 0 |
Wintertourismus | 3 | 35 | 35 | 32 |
Sommertourismus | 520 | 1’032 | 900 | 380 |
Total | -3’655 | -6’105 | -6’064 | -2’409 |
Sterblichkeit & Produktivität | -4’906 | -8’608 | -8’407 | -3’501 |
Übrige | 1’251 | 2’503 | 2’343 | 1’092 |
Trotz der im RCP3PD-Szenario berücksichtigten Klimaschutzmassnahmen entstehen im Jahr 2060 gegenüber heute Mehrkosten von 3,7 Mia. CHF/a. Im Szenario A2 betragen sie 6,1 Mia. CHF/a. Die Autoren der Studie schränken jedoch ein, dass verschiedene potenziell wichtige Effekte aufgrund fehlender Daten nicht simuliert werden konnten. Dies betrifft vor allem die zusätzlichen Kosten durch die Auswirkungen von Extremereignissen und den Verlust von nicht-monetären Vermögenswerten, z.B. von natürlichen Ökosystemen. Die Autoren weisen zudem auf den Nutzen einer Verminderung des Klimawandels im Ausland hin, z.B. durch die Vermeidung von klimabedingten Flüchtlingsströmen, und appellieren an die internationale Solidarität, da der grösste Teil der klimabedingten Mehrkosten nicht in der Schweiz sondern im Ausland anfallen würde.
Hitzebedingte Sterblichkeit und Produktivitätsverluste sind die wichtigsten Kostenfaktoren des Klimawandels
Die Einschränkungen der Autoren ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass die Mehrkosten des Klimawandels im Wesentlichen durch die temperaturbedingte erhöhte Sterblichkeit und den Produktivitätsverlust bestimmt werden. Dabei ist zu beachten, dass selbst bei Erreichen des Netto-Null-Ziels im Jahr 2050 noch erhebliche klimabedingte Mehrkosten anfallen werden. So belaufen sich im RCP3PD-Szenario die Mehrkosten der beiden genannten Faktoren im Jahr 2060 trotz Umsetzung aller Klimaschutzmassnahmen auf 4,9 Mia. CHF. Bei einem Verzicht auf Klimaschutzmassnahmen (Szenario A2) steigen die genannten Kosten auf 6,5 Mia. CHF.
Nun ist es nicht so, dass die hitzebedingt erhöhte Sterblichkeit und die Produktionsausfälle nicht reduziert werden könnten. Das Gegenmittel ist längst erfunden und heisst Klimaanlage.
Mit Klimaanlagen gegen den Klimawandel
Hitze macht vor allem älteren Menschen zu schaffen. Spitäler und Altersheime sollten deshalb prioritär mit Klimaanlagen ausgerüstet werden. Bereits damit würde sich der grösste Teil der klimabedingten Mehrkosten vermeiden lassen.
Im Folgenden wird noch einen Schritt weiter gegangen und abgeschätzt, wieviel eine flächendeckende Einführung von Klimaanlagen kosten würde.
In der Schweiz gibt es rund 2 Millionen Gebäude, welche mit Klimaanlagen nachgerüstet werden müssten. Die Kosten einer Nachrüstung können im Sinne einer einfache Überschlagsrechnung aus den Angaben eines Klimaanlagenherstellers abgeleitet werden. Nach diesen Angaben ist für die Nachrüstung eines Einfamilienhauses mit Kosten von 5’000 CHF zu rechnen. Bei einem konservativen Ansatz von 10’000 CHF/Gebäude ergeben sich für alle schweizerischen Gebäude Investitionskosten von 20 Mia. CHF. Bei einem Realzins von 1,6%, 1,5% Wartungskosten und einer Betriebsdauer der Klimaanlagen von 20 Jahren folgen daraus jährliche Wartungs- und Kapitalkosten von 1,5 Mia. CHF/a.
Der Stromverbrauch der Klimaanlagen beläuft sich gemäss der oben genannten Quelle auf 10 kWh/m2. Bei einer Energiebezugsfläche von 775 Mio. m2 resultiert ein Stromverbrauch von 7,8 TWh/a im Sommerhalbjahr. Wenn wir annehmen, dass dieser Strombedarf durch Dachsolaranlagen mit einem Strompreis 120 CHF/MWh gedeckt wird, resultieren Stromkosten von 0,9 Mia. CHF/a für alle Klimaanlagen. Zusammen mit den Wartungs- und Kapitalkosten ergeben sich somit jährliche Kosten von 2,4 Mia. CHF/a.
Einsparungen durch den flächendeckenden Einsatz von Klimaanlagen
Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass durch den flächendeckenden Einsatz von Klimaanlagen die temperaturbedingte Sterblichkeit um 90 % und der Produktivitätsverlust um 70 % reduziert werden kann.
Unter der Annahme, dass die in der LEURE-Studie ausgewiesenen Mehrkosten tragfähig sind, werden diese durch den Einsatz von Klimaanlagen deutlich reduziert. Im Fall des RCP3PD-Szenarios von 4,9 Mia. CHF/a auf 0,7 Mia. CHF/a und im Falle des A2-Szenarios von 6,5 Mia. CHF/a auf 1,3 Mia. CHF/a.
Würde die Schweiz auf die Verfolgung des Netto-Null-Ziels verzichten und stattdessen flächendeckend Klimaanlagen nachrüsten, könnte sie die klimawandelbedingten Mehrkosten von 6,1 Mia. CHF/a mit Kosten von nur 2,4 Mia. CHF/a weitgehend vermeiden.
Aber auch wenn die Schweiz aus Gründen der internationalen Solidarität das Netto-Null-Klimaziel umsetzt, könnten durch den flächendeckenden Einbau von Klimaanlagen Hunderte von Menschenleben gerettet und Mehrkosten von 4,9 Mia. CHF/a vermieden werden.
Fazit
Unabhängig davon, ob sich die Schweiz international solidarisch zeigt und das Netto-Null-Klimaziel umsetzt oder darauf verzichtet, könnten durch den flächendeckenden Einbau von Klimaanlagen Hunderte von Menschenleben gerettet und Mehrkosten von 1,8 Mia. CHF/a bis 2,8 Mia. CHF/a eingespart werden.
Eine Nachrüstpflicht für Klimaanlagen wäre damit wesentlich wirksamer als das derzeit politisch diskutierte Verbot von Verbrennungsmotoren oder ein Obligatorium für Wärmepumpen oder Dachsolaranlagen. Trotzdem wird diese einfache und kostengünstige Lösung in der Klimadiskussion kaum erwähnt.