Die Kosten des Netzausbaus

Abbildung 1: Hochspannungsleitungen und Strasse (Bildquelle).

29. Februar 2024

Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, muss das Energiesystem grundlegend umgebaut werden. Auch das Stromnetz muss ausgebaut werden. In der neuen Rubrik https://georgschwarz.ch/stromnetz/ werden die Berechnungsgrundlagen für die damit verbundenen Kosten aufgezeigt. So müssen im Rahmen der Umsetzung des Basisszenarios der Energieperspektiven 2050+ 115,5 Mia. CHF in das heutige Stromnetz investiert werden. Davon entfallen allein 81,5 Mia. CHF auf den erforderlichen Ausbau des Stromnetzes.

Ein wesentliches Merkmal von Stromnetzen ist, dass sich die Produktion und der Verbrauch von Strom stets im Gleichgewicht befinden müssen. Mit einem eingespielten Regelsystem sorgen die Netzbetreiber dafür, dass dieses Gleichgewicht auch bei Störungen wie z.B. dem Ausfall eines Kraftwerkes stets erhalten bleibt.

Mit dem wegen der Klimastrategie 2050 notwendigen Umbau der Stromversorgung wird diese Aufgabe deutlich schwieriger. Die neuen erneuerbaren Produktionsanlagen liefern ihren Strom viel unregelmässiger als die traditionellen Kraftwerke. Zudem steigt der Stromverbrauch mit der weitgehenden Elektrifizierung des Energiesystems deutlich an. Dies wirkt sich stark auf das Stromnetz aus und macht einen Ausbau erforderlich.

Seit mehr als einem Jahr kündigt der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) zu diesem Thema eine detaillierte Studie an. Die Studie soll belastbare Aussagen über die zu erwartenden Ausbaukosten des Stromnetzes liefern und damit eine Basis für die weitere energiepolitische Diskussion bilden.

Da sich die Publikation der VSE-Studie jedoch weiter verzögert, habe ich mich für die Herleitung der zukünftigen Netzausbaukosten in meinem Blog auf die Verteilnetzstudie des Bundesamtes für Energie (BFE) und den Bericht «Winterproduktionsfähigkeit» der Schweizerischen Elektrizitätskommission (ElCom) abgestützt.

Die detaillierten Ergebnisse finden sich unter der Rubrik https://georgschwarz.ch/stromnetz/. Im Folgenden sind die wesentlichen Erkenntnisse am Beispiel des Szenarios Zero Basis der Energieperspektiven 2050+ (EP2050+) zusammengefasst-

Netzeinbindung der zusätzlichen Produktionsanlagen (https://georgschwarz.ch/einbindung-produktion/)

In Zukunft werden insbesondere im Bereich der Gebäudephotovoltaik sehr viele, kleine Produktionsanlagen am Stromnetz angeschlossen werden müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass ihre Produktion starken Schwankungen unterworfen ist, z.B. wenn zur Mittagszeit an sonnigen Sommertagen alle Photovoltaikanlagen gleichzeitig mit maximaler Leistung produzieren.

Besonders teuer ist die Netzeinbindung von Photovoltaik-Dachanlagen, welche gemäss EP2050+ in Zukunft am stärksten ausgebaut werden sollen. Ihre Netzeinbindung verursacht Ausbaukosten von 630 Mio. CHF pro GW installierter Leistung, was rund einem Drittel der Investitionskosten für ihre Errichtung entspricht. Der gemäss Basisszenario benötigten Zubau von 37,5 GW an Dachphotovoltaik verursacht Netzausbaukosten von 23,6 Mia. CHF.

Die Netzeinbindung von Windenergie, alpinen Solaranlagen oder Wasserkraftwerken ist deutlich günstiger und fällt gemäss den Ausbauplänen der EP2050+ kaum ins Gewicht.

Netzeinbindung der zusätzlichen Verbraucher (https://georgschwarz.ch/einbindung-verbrauch/)

Der Ersatz der fossilen Heizungen durch Wärmepumpen und die zusätzlichen Elektroautos sorgen für einen höheren Stromverbrauch, der einen Netzausbau erforderlich macht. Die damit verbundenen Kosten belaufen sich für das Szenario Zero Basis auf 15,8 Mia. CHF.

Erschwerend kommt hinzu, dass das gleichzeitige Laden vieler Elektroautos Spitzenbelastungen erzeugen kann. So werden Elektroautos meist am frühen Abend an die Heimladestationen angeschlossen und beginnen dann ihren Ladevorgang. Werden aus Komfortgründen viele Heimladestationen und etwas weniger öffentlichen Schnelladestationen installiert, verteuert sich dadurch der Netzausbau um 5,0 Mia. CHF. Noch teurer wird der Netzausbau, wenn wie in den EP2050+ vorgesehen, der der Stromverbrauch der Elektromobilität und der Wärmepumpen in Perioden mit hohem Stromangebot und relativ tiefen Preisen verschoben wird. Ein solches, marktorientiert genanntes Lastmanagement verteuert den Netzausbau um 17 Mia. CHF.

Ausgleich kurzfristiger Schwankungen (https://georgschwarz.ch/ausgleich-kurzfristiger-schwankungen/)

Heute müssen im Stromnetz insbesondere die Verbrauchsschwankungen zwischen Tag und Nacht sowie zwischen Werktagen und Wochenenden sowie allfällige Ausfälle von Kraftwerken ausgeglichen werden. Dies geschieht hauptsächlich mit Speicherkraftwerken und in geringerem Umfang mit Pumpspeicherwerken. Diese verfügen über grosse Leistungsreserven, die bei Bedarf sehr schnell zur Verfügung stehen.

Die Produktion von Wind- und Photovoltaikanlagen variiert deutlich stärker als der heutige Produktionsmix aus Wasser- und Kernenergie. Allfällige Überschüsse können mittels Pumpspeicherwerken oder Batterien zwischengespeichert werden. Im Szenario Zero Basis wird davon ausgegangen, dass die Leistung der Pumpspeicherwerke von heute 3,8 GW auf 6,0 GW erhöht werden muss. Dafür werden 4,4 Mia. CHF benötigt. Zudem werden im Szenario Basis Zero 70% der Photovoltaikanlagen mit Batteriespeichern ausgerüstet, was Mehrkosten von 15,2 Mia. CHF verursacht.

Ausgleich längerfristiger Schwankungen (https://georgschwarz.ch/ausgleich-laengerfristiger-schwankungen/)

Längerfristige Schwankungen der Stromproduktion können aufgrund von Dunkelflauten bei Solar- oder Windkraftanlagen oder von Wassermangel bei Wasserkraftwerken auftreten. Andererseits können Kälteperioden den Stromverbrauch stark erhöhen. Im Hinblick auf die Versorgungssicherheit müssen auch solche Schwankungen beherrscht werden können.

Die längerfristigen Schwankungen werden heute mithilfe der Speicherkraftwerke und Importen ausgeglichen. Die verfügbaren Kapazitäten sind jedoch beschränkt. Die Winterreserveverordnung  verlangt deshalb bereits heute, dass Reservekraftwerke mit einer Leistung von 1’000 MW zur Verfügung stehen. Mit dem Szenario Zero Basis erhöht sich die benötigte Leistung auf 1’300 MW. Werden die Preise des Notkraftwerkes Birr angesetzt, verursacht der genannte Leistungsmehrbedarf Kosten von rund 0,5 Mia. CHF.

Fazit

Für die Realisierung des Basisszenario der EP2050+ müssen bis 2050 neben den Unterhaltskosten von 30,0 Mia. CHF weitere 81,5 Mia. CHF in den Ausbau der Netzinfrastruktur investiert werden. Letzteres entspricht rund einem Drittel der Mehrkosten, die für den Umbau des Energiesystems und die zusätzlichen neuen erneuerbaren Produktionsanlagen investiert werden müssen.

Die genannten Mehrkosten dürften einen Maximalwert darstellen. Dies weil im Szenario Zero Basis, mit einem sehr hohen Anteil an Gebäudephotovoltaik, einer netzbelastenden Ladestrategie für die Elektroautos und einer weitreichenden Ausrüstung der Photovoltaik mit Pufferbatterien, mehrere kostentreibende Faktoren zusammenkommen.

Bei den obenstehenden Ausführungen wurde angenommen, dass die Erhöhung der Aufnahmekapazität des Stromnetzes mittels konventionellem Netzausbau erfolgt. Darunter wird die Ergänzung oder der Ersatz vorhandener Leitungen und Transformatoren verstanden. Seit einigen Jahren sind auch sogenannt innovative Ausrüstungen am Markt erhältlich oder werden noch in Pilotprojekten getestet. Hierzu gehören zum Beispiel spannungsgeregelte Transformatoren oder Spannungshaltung über die Einspeisung von Blindleistung. Durch den Einsatz innovativer Ausrüstungen reduziert sich der Investitionsbedarf gegenüber dem klassischen Netzausbau um rund 50 % (vgl. Kapitel 8.1.2.3, VSE-Bericht «Wege in die Stromzukunft»).

In den für die Herleitung der Netzkosten verwendeten Berichten und Studien wurden unkonventionelle Netzausbau-Massnahmen nicht berücksichtigt. Auch dazu erhoffe ich mir von der angekündigten neuen VSE-Studie nähere Angaben.

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