Dachphotovoltaik: Breit akzeptiert aber technisch schlecht

Abbildung 1: Solaranlage auf Einfamilienhaus (Bildquelle).

27. Januar 2023

Die Dachphotovoltaik ist zwar die am besten akzeptierte klimaneutrale Stromproduzentin, aber aus technischer Sicht mit Abstand die schlechteste Lösung. Dachstrom ist relativ teuer, und der Strom fällt vor allem dann an, wenn wir ihn nicht brauchen. Im Winter, wenn die Wärmepumpen betrieben werden müssen, liefert die Photovoltaikanlage auf dem Dach viel zu selten und viel zu wenig Strom, weil das Mittelland dann meist unter einer dicken Hochnebeldecke liegt.

Eine Solaranlage mit optimaler Flächenausnutzung auf dem Dach unseres Hauses in Zürich würde gemäss Solardachrechner abzüglich der kleinen Einmalvergütung 18’500 CHF kosten. Damit könnten pro Jahr 6’000 kWh Strom produziert werden. Als Amortisationszeit gibt mir der Solarrechner 21 Jahre an. Wenn man bedenkt, dass eine Solaranlage 30 Jahre hält, ist das eine Investition, die man sich mit etwas Idealismus durchaus überlegen kann.

So denken viele Hausbesitzer in der Schweiz. Mit einer Solaranlage auf dem Dach kann man seinen eigenen Strom produzieren und erst noch ein gutes Gewissen haben. Doch welchen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele kann die Solaranlage liefern?

Produktionspotenzial

Um mit dem Positiven zu beginnen: Mit Solaranlagen auf den Dächern der schweizerischen Privat- und Gewerbehäusern lässt sich insgesamt viel Strom produzieren. Das technisch realisierbare Produktionspotenzial beläuft sich gemäss einer Analyse der ZHAW auf 38,8 TWh/a. Davon waren im Jahr 2019 Anlagen mit einer Produktion von 2,2 TWh/a bereits in Betrieb, woraus sich ein verbleibendes Ausbaupotenzial von 36,6 TWh/a ergibt.

Solaranlagen auf Dächern beeinträchtigen die Landschaft nicht, weshalb sie in der Bevölkerung auch weitgehend unumstritten sind. Einsprachen gegen Dachanlagen sind selten. Geplante Projekte lassen sich deshalb, im Unterschied zu Windprojekten, auch zeitnah umsetzen.

Winterstromanteil

Die Stromproduktion von Solardachanlagen ist saisonal sehr variabel. Im schweizerischen Durchschnitt liefern Solaranlagen auf Gebäuden 74% ihrer Energie im Sommer und 26% im Winter. Das Mittelland, wo sich die meisten Gebäude befinden, liegt in den Monaten November, Dezember und Januar meist unter einer dicken Hochnebeldecke. Entsprechend niedrig ist die Solarstromproduktion. Die Anlage auf unserem Hausdach in Zürich liefert in diesen drei Monaten lediglich 10% bis 15% der Maximalproduktion des Monats Juli (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Jahresverlauf einer 7 kWp-Solaranlage auf einem Flachdach in Zürich (Quelle).

Für die Stromversorgung sind diese drei Monate aber zentral. Durch die Umstellung der Heizungen von fossilen Energieträgern auf strombetriebene Wärmepumpen wird in Zukunft noch mehr Winterstrom benötigt als heute. Diesen können aber Solardachanlagen im Mittelland, wo sich mehr als zwei Drittel der Gebäude befinden, nicht liefern. Dasselbe gilt natürlich auch für Grossanlagen im Mittelland wie das Projekt auf dem Flugplatz Belpmoos.

Solaranlagen in den Bergen oberhalb der Nebelgrenze liefern dagegen mehr als Hälfte ihres Stroms im Winter, wenn er auch gebraucht wird. Bei Windturbinen in den Bergen sind es sogar 66%,.

Produktionskosten

Strom aus Dachphotovoltaik ist teuer. Mit durchschnittlich 103 CHF/MWh liefern die Solaranlagen auf den Dächern den viertteuersten Strom aller erneuerbaren Produktionsanlagen. Noch teurer produzieren nur die kapazitätsmässig weit weniger bedeutenden Solaranlagen an Fassaden und auf Infrastrukturen (Flugplätze, Autobahnen, etc.) sowie die Kleinwasserkraftwerke.

Dabei hängen die Kosten von Solardachanlagen stark von der Grösse der jeweiligen Dachfläche ab. Eine Studie der ZHAW Wädenswil hat die Kosten der Anlagen in Abhängigkeit ihrer Grösse bestimmt: Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, sind die Produktionskosten von Grossanlagen rund viermal niedriger als von Kleinanlagen.

Tabelle 1: Angenommene spezifische Kosten für unterschiedliche PV-Anlagengrössen im Jahr 2020. Zur Berechnung der durchschnittlichen spezifischen Kosten wurde die Kosten pro Kategorie mit dem jeweiligen Flächenanteil auf Dächern gemäss Sonnendach.ch gewichtet (Quelle: Tab 3, https://energiestiftung.ch/files/energiestiftung/publikationen/pdf/20200622_ZHAW_Studie_Photovoltaik-Zubau-Schweiz-Arbeitsplaetze.pdf).

Kategorie

[kWp]
Flächen-
anteil
[%]
Ausbau-
potenzial
[TWh/a]
Winter-
anteil
[%]
Spezifische
 Kosten
[CHF/MWh]
Strom-
kosten
[CHF/MWh]
Investitions-
kosten
[Mia. CHF]
2 – 420.8263’0001722.5
4 – 203412.6262’50014331.4
20 – 502810.2261’7009717.4
50 – 300259.1261’2006910.9
>300103.826750432.9
Gesamt10036.6261’78110365.2

Leider stehen für die kostengünstigen Grossanlagen nur wenige geeignete Dächer zur Verfügung. Das grösste Ausbaupotenzial für die Dachphotovoltaik besteht  bei Kleinanlagen mit entsprechend höheren Produktionskosten und Amortisationszeiten. Die Solaranlage auf unserem Haus produziert zum Beispiel trotz Subvention Strom für teure 190 CHF/MWh und einer entsprechend langen Amortisationsdauer von 21 Jahren. Diese kostenbedingten tiefen Renditen von Dachphotovoltaik-Kleinanlagen dürften mit ein Grund dafür sein, dass deren Ausbau so schleppend vorwärts geht.

Nachhaltigkeit

Obwohl der Solardachrechner unserer Dachfläche in Zürich eine sehr gute Eignung für die Nutzung von Solarenergie attestiert, beträgt die spezifische Jahresausbeute lediglich 850 kWh/kWp. In den Schweizer Alpen hingegen sind Jahresausbeuten von bis zu 1’900 kWh/kWp möglich. Das gleiche Solarmodul produziert in den Alpen also mehr als doppelt so viel Strom wie im Mittelland.

Die Produktion von Solarmodulen ist sehr materialaufwändig und energieintensiv. Wenn nun mit einem Solarmodul auf einem Dach im schweizerischen Mittelland im Vergleich zum selben Modul in den Alpen nur die Hälfte der Energie gewonnen wird, ist das eine Verschwendung von wertvollen Ressourcen. Hinzu kommt, dass für die Produktion aller Photovoltaikanlagen, auch für diejenigen in den Alpen, bei gleicher Leistung viel mehr Energie als für Windanlagen oder Wasserkraftwerken benötigt wird. Von allen erneuerbaren Produktionstechnologien ist Dachphotovoltaik damit die am wenigsten nachhaltige.

Versorgungssicherheit

Die Photovoltaik spielt in der Energiestrategie 2050 des Bundes die mit Abstand wichtigste Rolle bei der Dekarbonisierung der Schweiz. Dabei setzt der Bund schwergewichtig auf die gesellschaftlich unumstrittene Dachphotovoltaik und in geringerem Umfang auf Fassadenphotovoltaik.

Ein solcher Produktionsmix, der sich grossmehrheitlich auf Gebäudephotovoltaik stützt, ist rein rechnerisch in der Lage, den Jahresbedarf der Schweiz zu decken, wie ich in meiner Analyse zur Enerfiestrategie2050 https://georgschwarz.ch/variante-akzeptanz/ aufgezeigt habe. Es resultiert sogar ein geringer Überschuss von 5,8 TWh/a. Das Problem: der produzierte Strom ist sehr ungleich über das Jahr verteilt. Im Sommer resultiert ein Überschuss von 27,5 TWh/a und im Winter ein Defizit von -21,8 TWh/a.

Problematisch ist insbesondere das Winterdefizit. Es ist höchst fraglich, ob die im Winter fehlenden Strommengen aus dem Ausland importiert werden können. Mit dem Ausstieg von Deutschland aus der Atom- und Kohleenergie, dem Wegfall russischer Gaslieferungen und zunehmenden Behinderungen von grenzüberschreitenden Stromlieferungen durch die EU, werden  die zukünftigen Stromimporte zunehmend teurer und schwieriger. Im Sommer hingegen werden in Zukunft immer grössere Mengen an überschüssigem Strom auf dem Markt sein, sodass sich die schweizerischen Überschüsse kaum sinnvoll nutzen lassen.

Fazit

Dachphotovoltaik ist der wichtigste Energielieferant in der Energiestrategie des Bundes. Aus politischer Sicht mag das verständlich sein. Photovoltaikanlagen auf Gebäuden sind die einzigen breit akzeptierten, erneuerbaren Produktionsanlagen. Ihr Ausbau wird deshalb nicht auf grössere Opposition aus der Bevölkerung stossen.

Aus technischer Sicht ist der Weg des geringsten Widerstandes aber mit Abstand der schlechteste. Dachstrom ist relativ teuer, und der Strom fällt vor allem dann an, wenn wir ihn nicht brauchen. Im Winter, wenn die Wärmepumpen betrieben werden müssen, liefert die Photovoltaikanlage auf dem Dach viel zu selten und viel zu wenig Strom. Als Konsequenz ist die Schweiz im Winter auf problematische Importe angewiesen.

Mit einer technisch schlechten Lösung wird das Erreichen der Klimaziele noch schwieriger als es ohnehin schon ist. Dabei wären mit Wind- oder Alpenstrom durchaus Alternativen zur Dachphotovoltaik ohne ihre Nachteile vorhanden.

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